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Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Regressor Nik.
    »Was sie brauchen? Ich weiß es nicht, Nik.« Agard breitete die Arme aus. »Ich bin nur Historiker. Kein Prädiktor, kein Philosoph oder Ausbilder … Vielleicht Respekt?«
    »Anstelle von Liebe?«
    »Vor der Liebe. Falls sie sich denn einstellen sollte, natürlich. Die Liebe, das ist eine komische Sache …« Tarai lachte. »Weißt du, wie viele Bedeutungen dieses Wort früher hatte? Und wie viele sind heute davon noch übrig? Na? Wenn man dir von klein auf die Freundschaft mit einem Mädchen erlaubt und dir ständig erzählt, dass ihr ein Paar seid, wie geschaffen füreinander, ist das dann wirklich noch Liebe?«
    »Nein«, antwortete ich. Dann stellte ich mir Katti vor und korrigierte mich: »Ich weiß es nicht.«
    »Du bist ein kluger Junge, Nik. Nur wenige bringen das überhaupt zustande, zu sagen: Ich weiß es nicht.« Tarai seufzte. »Also, der Aufbruch. Ich bin abgeschweift … Wir sind geflohen, Nik. Wir sind in beschämender und erniedrigender Weise geflohen, als wir vor der Wahl standen, uns zu verkrümeln oder vernichtet zu werden. Die vielzitierte Lüge von dem Wunsch, Opfer vermeiden zu wollen … das ist nichts anderes als euer geliebtes Prinzip der Umkehrbarkeit der Wahrheit …«
    Er lachte aus vollem Hals – bis er abrupt verstummte. Er sah mich entsetzt an, als begriffe er, dass er zu viel gesagt hatte.
    »Ich bin ja auch der Meinung, dass die Umkehrbarkeit der Wahrheit nicht der klügste Gedanke ist«, sagte ich und erhob mich. »Ich gehe jetzt schlafen. Es war ein langer Tag.«
    »Und wenn ich die Nacht hier verbrächte …?«, fragte Tarai zaghaft.
    »Wie du willst.«
    Ich berührte die Tür, und sie öffnete sich. Es war dunkel, nur eine einzige Lampe brannte. Konnte man das Licht selbst regulieren, oder wurde es automatisch abgeschaltet? In der Baracke herrschte völlige Stille, nur draußen pfiff der Wind. Entweder schliefen alle oder sie taten so, als ob.
    »Agard, du scheinst kein schlechter Mensch zu sein«, sagte ich leise. »Wie hast du es geschafft, hier zu überleben?«
    Als er schwieg, brachte ich die Tür mit einer Berührung dazu, sich zu schließen.
    »Ich bin ein Plappervogel, Nik«, sagte Agard da. »Ein Geschichtenerzähler. Die Abende sind lang, das Leben langweilig. Und ich erinnere mich an vieles aus den früheren Zeitaltern. Und noch mehr kann ich mir ausdenken.« Agard zwinkerte mir zu: »Allerlei Unsinn … aber was kann man von einem kranken Historiker schon verlangen?«
    »Das habe ich fast vermutet«, erwiderte ich. »Gute Nacht, Agard.«
     
    Das war schwieriger als alles andere: einzuschlafen.
    Schlaf ist wie eine Heldentat, eine gute Anwendung der Kräfte.
    Der fast von mir erfundene, fast wieder zum Leben erwachte Nik Rimer, Pilot und Regressor, glitt langsam ins Nichtsein hinüber.
    »Die Cualcua haben seinen Körper untersucht, Pjotr. Sie werden mit deinem Fleisch verschmelzen, werden eine Körperhülle erschaffen, die absolut identisch ist mit der des Piloten der Geometer. Bis hin auf die Ebene des Genoms.«
    »Wie ist das möglich, Kommandant?«
    »Frag sie selbst, Mensch. Wenn du die Antwort verstehen kannst, werde ich dich für den Rest meines Lebens beneiden …«
    Armer Nik Rimer. Ich glaube, du warst ein anständiger Kerl. Du hast mit deinem Schiff gesprochen, und die bedauernswerten Elektronenhirne, die der Zähler später ausgeweidet hat, haben deine Intonation und deine Denkweise, deinen Wortschatz und deine Standardreaktionen bewahrt …
    »Petja, ich bestehe nicht darauf Glaube mir, du bist kein Werkzeug für mich …«
    »Ich möchte dir gern glauben, Großpapa.«
    »Jemand muss es tun. Und du hast die besten Chancen, zu ihnen durchzukommen. Das ist keine Frage des Alters oder des Körperbaus, diese beschissenen Amöben könnten jeden Körper nachbilden. Das Wichtigste ist die Seele. Du bist ihm wirklich ähnlich.«
    »Großpapa, das ist fast eine Kränkung. Einem Geometer ähnlich zu sein …«
    »Aber genau darin liegt unsere Chance …«
    Ich erinnerte mich an alles. An mein wahres Zuhause. An meinen falschen Großvater. An die Ingenieurin Mascha.
    Die alte Bettlerin vor dem Jelissejew. Den Jungen namens Aljoschka. An Danilow, den FSB-Oberst und Liebling der Transaero. Und an den wilden, maßlosen Streit mit meinem Großvater auf dem Flaggschiff der Alari.
    Aber zum Teufel, ein Cualcua, der in meinen Körper kriecht – wenn das kein Grund ist, wütend zu werden!
    Ich fuhr mit der Hand über die Brust. Wo begann mein Fleisch, wo

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