Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
hätte antworten können.
    »Nik! Nik!«, schrie Agard von der Grenze aus. »Nik, dreh dich um!«
    … Von allen Hochständen krochen, robbten und glitten Wendige durch den Schnee in unsere Richtung. »Flieh, Nik! Lauf!« Agard fuchtelte unbeholfen mit den Armen. Er hatte seine Worte, wonach die Wendigen viel schneller und ausdauernder sind als Menschen, offenbar vergessen.
    Langsam ging ich auf ihn zu.
    »Ich danke dir, Tarai«, sagte ich. »Mach dir um mich keine Sorgen.«
    Der alte Historiker schluchzte. In seinen Händen hielt er den Spaten. Wollte er sich etwa in ein Handgemenge stürzen? Obwohl er nicht die geringste Chance hatte?
    »Sie bringen dich um«, flüsterte er. »Sie bringen dich um, mein Junge.«
    »Weshalb hat man dich hierhergeschickt, Tarai?«, fragte ich.
    »Was spielt das jetzt …« Agard schüttelte in stummer Empörung den Kopf. »Ich habe die Archive von Rig dem Stinkenden durchforstet! Ja, er hat der Pestepidemie ein Ende bereitet! Aber er hat sie auch entfesselt! Er hat die Ausbilder mit der Medizin ausgestattet … und mit dem Erreger!«
    Warum wunderte mich das nicht?
    Die Geschichte der Geometer hatte sich allzu vage über denjenigen geäußert, der ihre Welt gerettet hatte. Allzu glatt waren auf diesem Planeten die Ausbilder an die Macht gelangt, diese weisen und guten Retter.
    »Leb wohl, Agard«, sagte ich. »Halte durch. Vielleicht … ändert sich irgendwann doch etwas.«
    Er schwenkte kämpferisch den Spaten. In seinen Augen blitzte Wahnsinn auf. »Wir … wir bleiben zusam men.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Cualcua, leite die Kampftransformation ein.
    Ich empfehle, ins Meer einzutauchen, antwortete der Symbiont wie aus der Pistole geschossen.
    Ich erzitterte, als ich den weißlichen Brei aus Eis und Wasser sah.
    Du brauchst keine Angst zu haben zu erfrieren.
    »Das ist das Milieu, an das sie gewöhnt sind«, flüsterte ich, den Blick auf das wogende Eis gerichtet.
    Hast du mal darüber nachgedacht, an welches Milieu ich gewöhnt bin?
    Selbst wenn die Ironie in diesem Satz zufällig sein sollte, ernüchterte sie mich. In einer Minute würden hier Dutzende von Wendigen auftauchen. Alle würde ich sie nicht besiegen können.
    Ich klopfte dem Historiker auf die Schulter und wollte ihm zulächeln – was mir aber nicht gelang. Leider. Dann rannte ich zum Wasser.
    »Nik!«, schrie mir Tarai hilflos hinterher. Das Letzte, was ich wahrnahm, waren die erhobenen Hände von zwei »Patienten«. Sie winkten mir zu und wünschten mir Glück.
    Drei von zehn – das ist sehr viel. Für diese Welt lohnte es sich noch zu kämpfen.
    Ich rannte durch das flache Wasser am Ufer, bis es mir zu den Knien reichte.
    Da tauchte ich unter.
    Das Eis brannte wie Feuer. Die Wattejacke weichte im Nu durch und hemmte meine Bewegungen. Luft bekam ich nicht mehr, was aber ganz gut war, andernfalls hätte ich geschrien und Wasser geschluckt. Keine Angst, keine Angst … . flüsterte der Cualcua.
     
    Wenn meine Rezeptoren eine Sekunde später abgeschaltet worden wären, hätte ich das Bewusstsein verloren. Aber der Cualcua schaffte es rechtzeitig.
    Die Kälte war verschwunden. Als ich mich erschaudernd von dem Schock erholte, trieb ich an der Wasseroberfläche. Die nasse Kleidung zog mich zum Grund. Ich schälte mich aus der Wattejacke und den Hosen und sah mich um. Die Wendigen waren bereits am Ufer.
    Vorwärts.
    Ich schwamm gern. Diese Sportart lockt Faulpelze, und ich habe ihr immer meine Reverenz erwiesen. Allerdings waren auch meine Resultate immer danach gewesen. Als ich rund zwanzig Meter vom Ufer weggeschwommen war, hörte ich rhythmisches Platschen: Die Wendigen sprangen ins Wasser.
    Ich tauchte wieder unter, drehte mich um und zwang mich, die Augen zu öffnen. Gerade noch rechtzeitig.
    Die Wendigen Freunde schössen torpedogleich auf mich zu. Ihre Mäuler standen offen, das Wasser sprudelte und strömte durch den röhrenförmigen Körper. Wie ausgesprochen bequem, sich mit dem Düsenprinzip fortzubewegen.
    Ich greife an.
    Meine Finger schmerzten, denn der Cualcua beeilte sich zu sehr, als dass er auf meine Befindlichkeit hätte Rücksicht nehmen können. Weiße Fäden wuchsen heraus. den angreifenden Wendigen entgegen. Zehn sich schlängelnde dünne Fäden.
    Um den Feind zu besiegen, muss man eins mit ihm werden. Die Japaner wären mit der Methode des Cualcua zufrieden gewesen.
    Die Wendigen verfügten über eine ausgezeichnete sensitive Wahrnehmung. Die lebenden Torpedos teilten sich und manövrierten.

Weitere Kostenlose Bücher