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Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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der Kanalisation hatte mich ins Zentrum der Kuppel gebracht. Bis hoch zur Glasdecke waren es hier rund siebzig Meter, die Bäume wuchsen also völlig ungehindert. Nach terrestrischen Vorstellungen handelte es sich um einen Nadelwald. Allerdings waren die Nadeln der Kiefern einen halben Meter lang und ihre Stämme glatt und weißlich, wie bei Birken.
    Ich schloss die Luke und bedeckte sie wieder mit Erde und abgefallenen Nadeln. Geduckt lief ich durch das Wäldchen. Das aufgetaute Hemd umspannte meinen Körper wie eine feuchte Kompresse. Ich hätte es auf dem Gitter des Filters lassen sollen. Oder im Schnee vergraben. Von Nutzen war es sowieso nicht.
    Die Glaskuppel über mir gestattete es, mich einigermaßen zu orientieren. Ich lief relativ schnell zur Wand. Hier wuchsen andere Bäume, niedrigere. Wenn ich ihre Bezeichnung wüsste, könnte Rimers Gedächtnis mir soufflieren, ob die Früchte essbar waren … An der Wand entlang trabte ich in Richtung eines Tunnels. Die Situation wiederholte sich, nur dass ich jetzt in die entgegengesetzte Richtung lief und mich auf dieser Seite der Kuppel befand. Irgendwo hier hatte ich das Licht bemerkt …
    Es war jetzt fast Tag, und das machte alles schwerer. Trotzdem entdeckte ich das fliederfarbene Licht. Ich bog die Büsche auseinander, orientierte mich am Licht und wusste bereits, was ich gleich erblicken würde.
    Eine Transportkabine. Eine normale Kabine mit einem Terminal an der Tür. Steig ein – und spring durch den Raum. Nur würde das Steuerungssystem mir den Befehl verweigern. Und zu allem Überfluss würde es auch noch Alarm schlagen.
    Ich klopfte mit der Hand auf das warme Plastik und lief weiter, in den Tunnel hinein.
    Natürlich wusste ich nicht sehr viel von Der Heimat. Aber ich war an verschiedenen Orten gewesen: auf dem Feld des Kosmodroms, an Tags Arbeitsstelle, in dem Restaurant, im Wohnheim, im Dampfbad, im Geschäft, im Weltrat, im Internat und in diesem Sanatorium genannten Lager. Mein Großvater würde mir sicherlich ein paar kluge Gedanken zu diesem Einblick in die Gesellschaft vortragen können. Doch obwohl ich keine voreiligen Schlussfolgerungen zog, erinnerte mich diese verglaste Wohnanlage an etwas. Ziemlich klar sogar. Zum Beispiel diese Transportkabine mitten im Wald – deren Lage durch keinen logischen Grund zu erklären war. Also musste ich die Logik beiseitelassen.
    Einen solch hochkomplizierten Mechanismus in einem Wald aufzustellen hieß, seine Natürlichkeit unterstreichen, seinen alltäglichen Charakter.
    Um jemanden daran zu gewöhnen …
    Insofern wunderte ich mich überhaupt nicht, als ich am Ende des Tunnels, über einer breiten, in den Turm führenden Tür ein Schild sah: Weißes Meer.
    Das Internat, wohin sie den Ausbilder Fed geschickt hatten, damit er »seine Schuld sühnte«.
    Da war ich also gelandet.
    Ich setzte mich auf eine der Steinplatten, mit denen der Boden des Tunnels ausgelegt war, und versuchte zu einer Einschätzung der Situation zu gelangen. Ich durfte nicht trödeln, aber trotzdem …
    Vermutlich hatte mein Großvater recht. Alles lief wieder auf drei Möglichkeiten hinaus.
    Ein Zufall.
    Oder die Geometer kontrollierten mich und hatten mich irgendwie und mit irgendeinem Ziel direkt ins Internat Weißes Meer geführt.
    Oder die Orte der »Strafverbüßung« für uns waren eben nicht zufällig gewählt worden, sondern man hatte ein Internat und ein Sanatorium ausgesucht, die nahe beieinander lagen. Selbst wenn ich davon nichts gewusst hatte, dürfte Fed diese Tatsache doch bekannt gewesen sein. Die Güte der Geometer – sie ist sehr eigenwillig. Den Ausbilder Fed dürfte meine »Verrücktheit« wirklich betrüben, das verstand ich jetzt, nachdem ich die erste Wut überwunden hatte. Und wenn der Ausbilder wusste, dass fünfzig Kilometer entfernt … hundert Kiloschritt entfernt, wie er es ausdrückte … sein einstiger bester Schützling mit Spaten und Hacke hantierte, würde dies seine Psyche ernstlich belasten.
    Was sollte dieser Quatsch! Fehlte ja bloß noch, dass ich über das Schicksal des Ausbilders in Tränen ausbrach!
    Ich erhob mich und zupfte überflüssigerweise das schmutzige, feuchte Hemd zurecht. Wie würden die Kinder der Geometer wohl auf das Auftauchen eines unbekannten Mannes in Unterhosen und Hemd, mit einem Dreitagebart und wütendem Blick reagieren?
    Wahrscheinlich würden sie mir einen Stuhl anbieten, mir ein Glas mit heißem Tee bringen und den Arzt holen.
    Die Ausbilder verstanden etwas von

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