Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
bückte mich, klaubte ein wenig von dem purpurroten Brei aus dem Gras und hielt ihn mir unter die Nase, wobei ich mir wie ein frisch initiierter Vampir vorkam. Kein Zweifel, das waren Tomaten …
    »Haben die wegen dir die Straße gesperrt?«, erkundigte sich der Fahrer hinter mir.
    Ohne mich zu ihm umzudrehen, nickte ich.
    »Mist! Ich hab gedacht, da sind mal wieder bei einem dieser Schrottdinger die Tanks geplatzt …«, grummelte der Fahrer. »Echt, sobald euer Treibstoff ausläuft, riegeln die die ganze Strecke ab …«
    »Passiert das denn so oft?«, wollte ich wissen.
    »Zwei Mal pro Jahr …«
    Klar. Die Trägerraketen flogen mit hochtoxischem Treibstoff. Es gab viele Starts, die Tanks waren alt, ewig fehlten Fachleute …
    »Wenn dein Vehikel nicht gewesen wäre«, brachte ich seufzend heraus, »wäre ich erledigt gewesen …«
    Der Fahrer schielte die Straße runter und kratzte sich die Wange. »Kannst du laut sagen! Du hattest ordentlich was drauf … zweihundert Stundenkilometer?«
    »Die Landegeschwindigkeit liegt bei dreihundertfünfzig.«
    Der Fahrer schnalzte mit der Zunge. »Also, mehr als hundert, das trau ich mich hier nicht …« Sein Ton hatte sich prompt geändert. Jetzt war ich nicht mehr ein abgestürzter Kosmonaut, sondern fast ein Kollege. »Meinen Motor kannst du sowieso vergessen. Aber klar, bei euch sieht das anders aus …« Er verstummte und starrte zum Schiff rüber, spuckte aus und brummte: »Ich hab gewaltig was auf die Birne bekommen … Wie heißt du, Kosmonaut?«
    »Habe ich doch schon gesagt: Pjotr!«
    »Petja … Ich bin Kolja.«
    Automatisch schüttelte ich die Hand, die er mir entgegenstreckte. Man hätte in diesem Moment von uns beiden problemlos ein Photo für ein Agitationsplakat der kommunistischen Partei schießen können: die unverbrüchliche Einheit von Armee und Volk. Nur das Schiff, das seine Nase so vorwitzig in den Bus gebohrt hatte, müsste dann retuschiert werden, andernfalls könnte man auf falsche Gedanken kommen.
    »Von wo bist du gestartet?«, erkundigte sich der Fahrer.
    »Von Sirius-A-8. Vom Planeten Hyxi.«
    »Den kenn ich!«, begeisterte sich der Fahrer. »Sirius habe ich schon mal gesehen! Mein Sohnemann hat ihn mir gezeigt, er ist in einer Astronomengruppe, hat selbst ein Teleskop zusammengebaut, so ein kleines … Er will auch Kosmonaut werden.«
    Er ging näher an das Schiff heran, berührte scheu die Schutzhülle und zog fluchend die Hand zurück. Logisch, die Keramik war noch nicht erkaltet, sondern hatte mindestens hundert, zweihundert Grad.
    »Verdammt, ist das heiß!«, schimpfte Kolja. »Mir verschmurgeln ja meine Tomaten. Hilf mir beim Ausladen!«
    Ich bedachte Kolja mit einem tadelnden Blick.
    »Ach … schon gut«, winkte er ab. »Vergessen wir’s … Sag mal, das Ding ist doch nicht verstrahlt?«
    »Das Schiff? Nein, keine Sorge. Die Strahlung liegt ganz wenig über dem natürlichen Strahlungshintergrund. Sie ist nicht gefährlich.«
    »Was sollten wir nach so einem Knall auch noch fürchten«, meinte der Fahrer. »Petja, das ist, als ob du ein zweites Leben gekriegt hättest!«
    »Hm …«
    »Meinst du … wir sollten das begießen?«
    Der Vorschlag brachte mich derart aus dem Konzept, dass ich nicht wusste, was ich darauf erwidern sollte. Kolja fasste mein Schweigen als Zustimmung auf, zwängte sich in die Fahrerkabine und tauchte kurz darauf mit einer angebrochenen Flasche Wodka, einem Glas und einem in die Literaturzeitung eingewickelten Stück Speck wieder auf.
    »Aber nachher, wenn die Streifenhörnchen anrücken, sagst du, dass ich nüchtern war!«, verlangte Kolja, während er die Zeitung im Gras ausbreitete. »Dass wir erst jetzt … um den ganzen Stress abzubauen …«
    Mich beschlichen leise Zweifel, ob Kolja wirklich nüchtern gewesen war und warum er sich derart auf die Flasche stürzte. Ich sagte jedoch kein Wort. Schließlich hatte sein Autobus mir das Leben gerettet.
    Wir setzten uns hin, Kolja drückte mir das Glas in die Hand und goss ein. In dem Moment hörte ich das Rattern eines Hubschraubers.
    »Meine Leute kommen«, teilte ich ihm mit und stand auf.
    »He, mach schon, trink!«, drängte Kolja. »Hier … soll ich dir ’ne Tomate holen?«
    Er flitzte zum Bus und fischte aus dem Brei unter den Rädern eine unversehrte Tomate. Gerade schob sich der Hubschrauber, der tief über unseren Köpfen flog, ins Blickfeld. Allerdings kamen da keineswegs unsere Retter angeflogen: Aus der offenen Tür lugte das Auge einer

Weitere Kostenlose Bücher