Sternenstaub (German Edition)
Schatten verdeckt. Minutenlang verharrte der Junge regungslos auf dem Rücken seines Drachen und lauschte den furchtbaren Schreien, in denen tiefe Angst und furchtbare Schmerzen schwangen. Und dann, so schnell wie sie aufgetaucht wa-ren, verstummten die lauten Schreie auch wieder und mach-ten Platz für eine bedrückende Stille.
Nervös pustete Drako warme Luft aus seinen pferdeartigen Nüstern.
„Leise!“, flüsterte Leif seinem grünen Gefährten zu und klopfte ihm dabei sanft auf den langen, schuppigen Hals.
Das Geräusch von schweren Stiefeln, die auf dem dunk-len Stein der Höhle klapperten, ließ Leif aufschrecken. Das Zwielicht, welches in der Höhle herrschte, ließ den Jungen erkennen, dass eine große, breitschultrige Figur sich lang-sam auf ihn zu bewegte.
Leif hielt seinen Atem an, um sich dadurch nicht zu verra -ten. Im gleichen Moment erkannte er aber, dass dies nichts nützen würde, da das schwere Rasseln Drakos Lungen seine eigenen Atemgeräusche sowieso verdecken würden. „Ist hier noch jemand?“, rief die Gestalt mit tiefer Stimme in die Dunkelheit hinein.
„Wenn ja, dann solltet ihr raus kommen und euch erge -ben!“
Leif konnte das Zittern in der Stimme des Mannes deutlich hören und schloss daraus, dass er gegen seinen Willen in die Höhle geschickt wurde, um nach dem Rechten zu schauen. Als keine Antwort aus der Tiefe der Dunkelheit kam, drehte der Mann um und ging schnell wieder gen Ausgang.
„Hier ist nichts!“, rief er dabei. „Wir haben alle erledigt.“
Als ob diese Worte ein geheimes Zeichen waren, beugte Drako seinen Kopf nach oben, riss die mächtigen Kiefer auseinander und brüllte aus Leibeskräften. Der laute Schrei des Drachen wurde von den steinernen Wänden zurückge-worfen und vervielfältigt. Leif hielt sich die Ohren zu, aus Angst davor, taub zu werden. Langsam setzte sich der mas-sige Jungdrachen in Bewegung. Er setzte eines seiner mäch-tigen Beine vor das andere und die Bewegungen wurden immer schneller und schneller.
Der Späher, der von seinen Kameraden in die Höhle geschickt worden war, hatte sich bei dem lauten Gebrüll panisch umgedreht. Seine Augen wurden immer größer, als er sah, wie sich Drako hinaus aus den dunklen Schatten der Höhle in das Licht des Mondes bewegte.
„Ein Drache n…!“, konnte der Mann gerade noch erschro-cken von sich geben, bevor ihn die kräftigen Krallen des grünen Schuppentieres zu Boden stießen und zermalmten.
Leif sah den Ausgang der Höhle immer schneller auf sich zukommen und fühlte wie sich die Flügel seines Reit-tieres ausbreiteten und anfingen zu schlagen.
„Was machst du, Drako?“, rief er, als er seine Überra -schung über die plötzliche Bewegungswut seines Drachens überwunden hatte.
„Nein Drako! Tu das nicht! Hör auf!“
Doch es war zu spät. Sie hatten den Ausgang der Höhle er -reicht und stiegen langsam in die nächtliche Luft empor. Leif schaute vom Rücken des Drachen auf die Welt hinab, die unter ihm hinweg huschte. Doch was er sah, erschrak ihn nicht nur im ersten Moment, sondern erfüllte ihn eben-falls mit tiefer Trauer. Eine Hundertschaft schwarz geklei-deter Ritter hatte sich vor dem brennenden Dorf der Dra-chenreiter versammelt. Vereinzelt machten sie sich über die Kadaver am Boden liegender Drachen und deren Reiter her.
„Da ist noch einer!“, hörte er einige Männer rufen.
„Los holt ihn vom Himmel!“
Sofort surrten Pfeile in Leifs Richtung, doch er war schon zu hoch in der Luft und somit außer Reichweite der Ge -schosse.
„Bei den Göttern!“, sprach Leif leise vor sich hin, während sein Blick weiterhin erschrocken von einem Drachenkada -ver zum nächsten wanderte. Er erkannte viele von den Drachenreitern, mit denen er sich gemeinsam vor wenigen Augenblicken in der Höhle versteckt hatte. Doch so sehr er auch die Umgebung absuchte, fand er doch keine Spur von der Leiche seiner Mutter.
Leif blinzelte verschlafen, während sein Körper vom kalten Wind eingehüllt wurde. Die Sonne stand bereits hoch über ihm und erst jetzt realisierte der Junge, dass er sich auf dem Rücken seines Drachen befand. Tief unter ihm rauschte das blaue Meer vorbei.
„Ich muss eingeschlafen sein “, sprach er zu sich selbst und rieb sich dabei die Augen.
Doch plötzlich kamen die schrecklichen Erinnerungen an die letzte Nacht zurück in sein Gedächtnis gestürmt. Leif sah die Geschehnisse, die in der dunklen Höhle statt gefun -den hatten wieder
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