Sternenstaub (German Edition)
wenn eine Orchidee verwelkte, war es wie der Tod ohne Wiederkehr eines Kindes. Was würde er dafür geben, wenn er diese Wunderwerke der Natur für immer konservieren könnte. Außerdem dachte er mit gro-ßer Sorge an die Zukunft. Was wird mit seinen Orchideen geschehen, wenn er von dieser Welt abberufen wird?
Da fiel ihm eben wieder das lange vergessene Reich der Glasblumen ein. Aus Glas würden sie dort für ewig blühen und nie vergehen. Der Wunsch, sie für die Ewigkeit zu er-halten, wurde daher immer stärker. Er wusste noch, dass es nur dann funktionierte, wenn der Himmel mit Wolken-schleiern übersät war und sie der Wind vor sich hertrieb. Dann fiel das Sonnenlicht nur gedämpft durch das pyrami-denähnlich gebaute Glashaus. Und das trügerische Licht zauberte damals Gestalten und Schatten auf die Glaswände und aus den Ecken kamen seltsam verdrehte und ver-schnörkelte Triebe hervor, die wie lange gierige Finger nach ihm griffen. Sie machten ihm Angst und er flüchtete sich dann immer zu seinem Großvater, der draußen im Garten den Rasen pflegte und das Unkraut jätete.
„Wollen dich die Glasblumen wieder holen?“ , fragte er dann und strich ihm über den Kopf.
„Ja, sie strecken i hre Triebe durch die Wände und versu-chen, mich zu umschlingen!“, rief er dann immer ängstlich.
„Du solltest keine Angst haben, kleinen Kindern und alten Leuten sind sie immer freundlich gesinnt. Komm wir gehen gemeinsam zu ihnen.“
Er nahm ihn dann immer bei der Hand und führte ihn in das Glashaus zurück bis zu der rückwärtigen Wand, die an den Fels stieß. Mit seinen sehnigen, von der Gartenarbeit gezeichneten Händen, berührte er dann den Fels und er öffnete sich einen Spalt, der gerade so groß war, dass sie beide durchgehen konnten. Dann schloss sich der Spalt wieder. Drinnen standen sie vor einem großen Feld mit Sonnenblumen, die größer als er selber waren.
Die Blumenköpfe waren goldg elb glänzend und durch-scheinend, sie waren alle aus Glas.
Ein leichter Wind ließ sie hin und her schwanken, dadurch lag ein sonderbares Klirren in der Luft, das durch die Be-rührung der einzelnen Blüten und Blätter entstand. Es war eine fröhliche, sich geheimnisvoll verbreitende Melodie.
„Oh, Großvater, das ist ja wunderschön!“ , rief er und be-staunte die leicht schwankenden Stängel und gelben Blüten-köpfe.
„Ja, aber bedenke, es sind keine echten Blumen, sie sind nur aus Glas. Sie riechen nicht und sie können auch nicht wachsen. Siehst du dort den See, mit den Seerosen? Auch alles aus Glas. Man kann in den See nicht eintauchen, die Seerosen schwimmen auch nicht auf der Oberfläche, sie bleiben immer an ihrem Platz. Dafür verwelken sie aber auch nicht, sie bleiben immer so wie sie jetzt sind.“
Der Großvater strich ihm damals mit der Hand abermals über den Kopf.
„Es ist aber eine unwirkliche Welt, keine Welt für Men-schen aus Fleisch und Blut.“
„Ich finde das aber trotzdem wunderbar! Ich muss immer weinen, wenn eine Blume verwelkt! Gibt es auch Orchideen hier?“ Er liebte schon damals die Vielfalt der Orchideen.
„Ja, da rückwärts, links neben dem See. Sie haben alle For -men und Farben, die du dir vorstellen kannst und die je-mals in unserem Glashaus gezüchtet wurden. Sie stehen in Glastöpfen, sogar die Tautropfen der Blütenblätter sind aus Glas. Und jene Orchideen, die normalerweise auf den Bäu-men in den Urwäldern wachsen sind ebenfalls vertreten, sie schwanken leicht im Wind und man kann ihre Musik weit hören, wenn sie sich berühren. Es ist eine Zauberwelt und schade, dass sie nur wenige Menschen betreten kön-nen. Nur unschuldige Kinder und alte Leute können sie se-hen. Aber auch nur für kurze Zeit, bis die Sonne untergeht. Dann müssen wir wieder zurück sein, sonst werden wir auch zu Glas und müssen für ewig hier bleiben.“
Er erinnerte sich, wie erschrocken er über diese Worte war und rannte sofort wieder zu der Stelle, wo die Öffnung vorher war. Großvater berührte diese Stelle wieder mit sei-ner Hand und sie traten zurück ins wirkliche Leben.
Großmutter schüttelte jedes Mal den Kopf, wenn er ihr da -von erzählte.
„Du solltest den Geschichten von Großvater keinen Glau -ben schenken, das weißt du doch! Er hat eine blühende Fantasie!“
Das sagte sie jedes Mal. Er scheute dann davor zurück, ihr zu erzählen, dass sie beide, Großvater und er, in dieser Welt waren, dass sie wirklich existierte.
Das war vor langer
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