Sternenstaub (German Edition)
nicht mehr hier.“
Sie wandte den Kopf und sah Jirrin mit einer Spur von Hoffnung in ihren traurigen Augen an. „Weit im Süden gibt es eine andere Insel. In den Erdtiefen unter ihr lebt ein Mischling wie ich, ein Sohn einer Erdwürfin. Man sagt, sein Vater war entfernt mit dem Minotaurus verwandt, was ich aber nicht glauben kann. Brol hat einen guten Charakter. Als wir uns kennen lernten, waren wir beide noch sehr jung. Ich werde ihn besuchen.“
Mayena erhob sich. Jirrin sah, dass ihre Beine sehr kurz waren, geeignet, um durch lange Erdlöcher zu kriechen.
„Siehst du die Löcher da oben?“ , fragte Mayena und wies mit dem Flügel an die Höhlendecke.
Jirrin sah in gleichmäßigen Abständen silbrige Trichter, durch die Licht schimmerte. Wasser tropfte daraus herab. „Die Steinwürmer haben die Löcher für mich gebohrt, und die Höhlenspinnen regulieren mit ihren Trichternetzen den Wasserzulauf“, erklärte Mayena.
„Ich brauchte sehr viel Wasser für meinen Nebel. Aber es war nur ein Spiel. Ich werde sie bitten, alles wieder zu ver-schließen. Dein Volk soll wieder sein Wasser haben. Mein Vater hätte es so gewollt. Meroganoj war ein mächtiger Drache, aber er hat nie jemandem Unheil gebracht“, fügte sie mit Stolz hinzu.
„Ich danke dir von Herzen, Mayena, Tochter der Kahra und des Meroganoj“, erwi derte Jirrin, „ich wünsche dir Glück auf deinen Wegen.“
„Es gibt eine Abkürzung ans Licht“, sagte Mayena. „Folge dieser Höhle“, und sie wies auf einen Tunnel, der schräg hinter ihr nach oben führte.
„Auf Wiedersehen, Mayena. Ich bin erfreut, dich kennen-gelernt zu haben und werde mich gern an dich erinnern“, sagte Jirrin und verbeugte sich.
„Danke für deinen Besuch, Menschling“, sagte Mayena.
„So weiß noch jemand von meinen Eltern und wird ihre Geschichte an den Feuern warm halten.“
„Das werde ich“, versprach Jirrin und machte sich auf den Weg.
Tatsächlich kam er schon nach einer knappen Stunde an der südlichsten Spitze der Insel ans Tageslicht, zwischen Felsen am Hafen, direkt über dem Meeresspiegel, dort, wo eine Kolonie der berüchtigten Großkrabben lebte. Doch er kam relativ unbeschadet an ihnen vorbei, nur eine kniff ihn heftig ins Schienbein.
Eine Woche später regnete es drei Tage lang. Die Seen füll -ten sich, und das Land wurde grün.
Jirrin saß abends mit seinem Volk ums Feuer, briet Fisch und Krebse und erzählte von Meroganoj, dem heim-lichen Herrn des Himmels, von Kahra und von Mayena, die in der dunklen Tiefe einsam ihre hellen Träume formte
B lumen aus Glas
Joana Angelides
Er wird heute, wie vor langer Zeit in seiner Kindheit, wieder einmal durch die Wand des Gewächshauses ins Reich der Glasblumen gehen. Das war beschlossene Sache.
Er erinnerte sich, dass er das als kleiner Bub öfter getan hat. Doch mit der Zeit und dem Älterwerden wurde diese Erin-nerung ins Reich der Fantasie geschoben und dann irgend-wann fiel es dem Vergessen anheim. Besonders als Groß-vater eines Tages verschwand; er war der einzige, mit dem er dieses Geheimnis teilte.
Es hieß, er sei wieder zur See gegangen und Großmutter schwieg beharrlich.
Irgendwann erreichte ihn die Nachricht, dass das Haus verlassen war und er als Erbe für die Erhaltung zuständig sei. Es gab außer einem Testament von Großmutter keine weiteren Unterlagen. Auch nicht über ihren Tod, der den Gerüchten nach, kein natürlicher war. Sie soll der Fluss ei-nes Tages mit sich gerissen haben. Dann stand das Haus viele Jahre einfach nur so da.
Er war gerade pensioniert worden und bezog das Haus, wollte den Rest seines Lebensabends hier verbringen. Er besuchte das Grab, das Großmutter schon zu ihren Leb-zeiten gekauft und mit einem Grabstein ausgestattet hatte. Sie ließ ihren und den Namen von Großvater eingravieren und legte dann immer ein paar Blumen aufs Grab. Sie wa-ren für Großvater gedacht, von dem sie nicht wusste, ob er nun lebte oder in der Fremde verstorben war.
Dieses Grab war sein einziger Bezugspunkt zu den Groß -eltern, den er noch hatte.
Doch gestern, als er so an seinem Rollstuhl gefesselt, alleine im Ge wächshaus war, seine Orchideen umsorgte, sie be-sprühte und hin und wieder ein Blatt entfernte, fiel ihm diese alte Geschichte wieder ein.
Er liebte seine Orchideen, sie waren für ihn wie Kinder, die er hegte und pflegte. Fast seine ganze Zeit verbrachte er im Gewächshaus. Immer
Weitere Kostenlose Bücher