Sternenstaub im Kirschbaum
TÖTEN!«, brüllte Cernus von Steppenkirsche wenig umgänglich. Nur dem beherzten Eingreifen Meister Bittermandels war es zu verdanken, dass der verladende Bräutigamvater nicht noch am Altar ein Blutbad unter den Gästen angerichtete. Der Fürst tobte und sprach von Verrat, Lügen und Betrug. Zudem hatte ihm niemand sagen können, wo sich sein Sohn Malus befand. Er war wie vom Erdboden verschluckt.
»WENN MEIN SOHN NICHT BIS ZUM SONNENUNTERGANG BEI MIR IST WIRD BLUT FLIESSEN!« Erhobenen Schwertes stellte er ein Ultimatum, nach dessen Ablauf er Lerchensporn bis auf die Grundmauern niederzubrennen versprach.
»CERNUS! DAS WAGT IHR NICHT!«, brüllte Dost-Escariol ebenso energisch. Natürlich hatte der P rinz das nicht auf sich sitzen lassen und mahnte, dass es eine epische Schlacht geben würde, falls die Soldaten aus Hyazinth es wagen sollten, auch nur einen begonischen Blutstropfen zu vergießen.
»ICH HASSE ALLE MÄNNER!«, schrie Vicia traumatisiert und floh in ihr Turmzimmer. Von dem aus, sie den königlichen Handwerkern umgehend den Befehl gab, ihre Tür zuzumauern. Nach den erniedrigenden Erlebnissen in Kardone, ihrem unfreiwilligen Dämmerschlaf und dem alptraumhaften Kuss dieses dicklichen Möchtegern-Spruchwirkers hatte sie beschlossen, nie wieder einen Mann zu berühren.
»Konnte Meister Bittermandel diese schlimmen Dinge nicht verhindern?«, fragte seine Enkeltochter betroffen. »Bisher hatte er doch alles immer friedlich regeln können.«
»Vielleicht, zumindest wenn er nach der Hochzeit noch da gewesen wäre .«
Meister Bittermandel verschwand ebenso spurlos wie Malus von Steppenkirsche, nur vermisste Fürst Cernus jetzt auch noch seine gesamte Reisebörse. Was seiner Stimmung verständlicherweise nicht zuträglich war. Spruchwirker waren Diebe und Scharlatane, das hatte er schmerzlich lernen müssen.
Der Befehl , Lerchensporn dem Erdboden gleichzumachen, war schon erteilt, nur die hyazinthischen Spezialkräfte für internationale Brandschatzungen kamen dem zuvor und riefen spontan zum Streik auf. Die Geschichte mit den vielen Überstunden hatten sie bereits in der Vergangenheit als Frechheit erachtet. Nun hatte Ihnen die Generalität zu Ehren der Hochzeit einen Tag Sonderurlaub gewährt und was bedeutender war, zahlreiche Freikarten für die Premiere des Lerchensporner Tanztheaters zukommen lassen. Und genau diese Kultureinrichtung sollten sie jetzt niederbrennen?
Nein! Die Soldaten streikten. Sie wären höchstens dazu bereit gewesen, die Stadt nach der Vorstellung zu brandschatzen, je nachdem, wie ihnen die Vorstellung gefallen würde.
Und damit hatte die Spirale negativer Schwingungen noch nicht ihren Höhepunkt erreicht. Als während des unfassbaren Eklats im Palast Hisperis von Greisenhaupts und sechs seiner Frauen Musa Rübenkerbel wiedererkannten, nur die attraktive Nummer 4 wusste nicht mehr, wie er aussah, vergaßen auch die Ginkgo daraufhin ihre Zugeständnisse an die Lerchensporner Kleiderordnung. Mehrere Hundert nackter und äußerst sendungsbewusster Ginkgo liefen folglich durch die Stadt, um mittels motivierender Kräuterrauchbomben die verunsicherte Bürgerschaft zu einer friedlichen und konfektionsfreien Zukunft zu bekehren. Dieser entwaffnenden Attacke fielen auch zahlreiche streikende hyazinthische Soldaten zum Opfer. Die mit ihrer revolutionären Blöße nicht nur den militärischen Kodex von Hyazinth verletzten, sondern auch die letzte Möglichkeit vergaben, an den streng auf die passende Abendgarderobe achtenden Kartenabreißern des Tanztheaters vorbeizukommen.
Ein Teufelskreis, die hyazinthischen Plünderer -Verbände am Stadtrand konnten sich allerdings noch in Rosenheide in Sicherheit bringen. Ein findiger Frontoffizier hatte Tante Lobelie gegen 18 Uhr seine bedingungslose Kapitulation angeboten, um im Gegenzug mit seinen Männern auf der anderen Seite des Rosenheider Stadttores Zuflucht zu finden. Musas Tante nahm das Angebot nicht ohne Stolz an. Neben der kampferprobten Rosenheider Bürgerwehr, dem dämonischen Pionier- und Logistik-Battalion befehligte sie jetzt auch das halbe hyazinthische Expeditionsheer. Die Ginkgo konnte sie ohnehin nicht leiden.
»Und was war mit Meister Tulpenmohn?«, wollte seine Enkeltochter wissen.
»Nachdem seine Bewacher von den Ginkgo überwältigt oder Hals über Kopf nach Rosenheide geflohen waren, fand man ihn nackt in einem Erdloch auf einer Wiese neben einem Haus in Lerchensporn. Er kündigte wie gewohnt lautstark das
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