Sternenstaub im Kirschbaum
Sie zeigte sich kompromissbereit, weil sie sich nach der ersten Wut darüber klar wurde, in einem zugemauerten Turm gefangen, zukünftig nur noch in rostige Eimer pinkeln zu müssen. Und auch bei den sonstigen in ihrer Kammer verfügbaren Hygienestandards drastische Abstriche in Kauf zu nehmen hätte.
»Na gut ... dann will ich mal nicht so sein«, sagte Hisperis Greisenhaupt eher kleinlaut. Er lenkte ein, weil noch während Cardamines Rede in der Gestalt Meister Tulpenmohns, Meister Bittermandel sich mit seiner Bezahlung bei ihm entschuldigte. Der Hochkommissar und Erzspruchwirker war auch nicht mit Cernus' Reisebörse durchgebrannt, sondern hatte sie während der drohenden Kriegswirren im Tresor der Innung in Sicherheit gebracht.
Eine Entwicklung, die auch seine sieben Frauen milde stimmte, die nun mit dem Geld in Lerchensporn allerlei Dinge einkaufen wollten, die Ehefrauen ihres Standes ihrer Meinung nach zustanden.
»Lerchensporn soll leben!« Als dann auch noch Fürst Cernus die Brandschatzung absagte und Meister Bittermandel allen zusicherte, dass die Premiere des Lerchensporner Tanztheaters nur mit einer Stunde Verspätung noch an diesem Abend stattfinden würde, zeigte sich folglich auch Dost-Escariol von Lerchensporn versöhnlich und ließ durch einen Boten die ganze Hochzeitsgesellschaft zur ersten Vorstellung einladen. Was leider nichts daran änderte, dass ihm seine erste Singstimme wegen einer andauernden Heiserkeit immer noch Sorgen machte.
Andere Boten brachten auch später aus Rosenheide gute Neuigkeiten. Mit der Aufhebung der Belagerung durch die Ginkgo, der freundschaftlichen Geste, sich wieder anzuziehen und der friedlichen Soldatenzusammenführung Cernus' versprengter Truppenteile, zeigte sich auch Lobelie Rübenkerbel und die Rosenheider Bürgerwehr bereit, weitere deeskalierende Gespräche zu führen.
»Und Musa?«, fragte seine Enkeltochter besorgt.
»Der verließ den Kerker in einem Stück mit seinen Zehennägeln«, antwortete der Großvater freudig. »Und einem neuen Freund.«
»Einen neuen Freund?«
»Musa hatte den Kerkermeister beim Tic Tac Toe gewinnen lassen und ihm als Preis warmen Kirschkuchen versprochen.«
Die Gardisten brachten Musa zu seinem Lehrherrn, den gefeierten Spruchwirkermeister Frangipani Tulpenmohn, der seit diesem Tag im ganzen Land und über die Grenzen hinaus als Held des legendären Lerchensporner Halbtageskrieges verehrt wurde. Der, wenn ihn der weise Meister Tulpenmohn nicht verhindert hätte, das gesamte Zeitalter in den Abgrund gerissen hätte, so zumindest spätere Historiker, die aus dramatischen Motiven spannende Schulbücher zu schreiben, zu Übertreibungen neigten.
»Meister Tulpenmohn?«, fragte Musa ungläubig. Auch wenn er nicht wusste was sein Meister den Menschen erzählt hatte, erkannte er welche Veränderungen diese magischen Worte bewirkten.
»Später ...«, sagte Cardamine in Gestalt Meister Tulpenmohns. Sie nutzte die freudige Stimmung, um sich mit Musa im Schlepptau schnellstens zu verdrücken. Ohne weitere Zeit zu verlieren, liefen sie durch Lerchensporn, wo gerade Menschen aus aller Herren Länder lautstark Feste feierten.
Als dann die magische Verwandlung Cardamines ihre Wirkung verlor , nahm Musa sie als Hund auf den Arm und lief lachend weiter. »Wer auch sonst!«
Und wie es der Zufall wollte, wäre er dabei beinahe in genau das Erdloch gefallen, in dem der echte Frangipani Tulpenmohn Zuflucht gesucht hatte. Musa half seinem Meister in die blaue Robe und brachte ihn und Cardamine noch vor Mitternacht sicher nach Rosenheide. Was für ein Tag, befand er müde aber zufrieden.
»Und Malus von Steppenkirsche? Ich meine, den konnten die doch nicht ewig in der Kiste lassen.« Seine Enkeltochter vergaß niemanden.
»Auch der wurde befreit.«
Und zwar durch Dost-Escariol von Lerchensporn, der während der Premiere des Tanztheaters in der Pause zum zweiten Akt, verzweifelt und aus Wut unter der Bühne gegen eine Holzkiste trat, weil seine erste Stimme, die im zweiten Akt die erste Passage zu singen hatte, inzwischen vor Heiserkeit keinen einzigen Ton mehr herausbekam.
Wie Phönix aus der Asche stand er da, Malus von Steppenkirsche, dessen blaue Uniform farblich gar nicht einmal schlecht ins Bühnenbild passte. Und der, da Dosts Stück eine moderne Interpretation eines bekannten Klassikers war, auch noch den gesamten Text der ersten Singstimmen auswendig kannte.
Die gesangliche Darbietung von Cernus' Sohn war
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