Sternenstaub
Frauen gerade erklärte, wie sie die Gewehre bedienten, die er an sie ausgeteilt hatte.
Mein Gott, dies hier waren fast alles friedliebende Bauleute und Farmer. Wie sollten sie sich jemals gegen Lokondras ausgebildete Armee behaupten? Selbst wenn die Erde neuerdings wieder Waffen herstellte und auch Südloduun damit versorgte, die Lieferungen hatten gerade erst begonnen. Sie waren nichts im Vergleich zu der Tötungsmaschinerie, die Lokondra besaß. Aber sie alle hatten Kinder, Enkel, kleine Geschwister oder Nichten und Neffen, die nächste Woche im Fort erwartet wurden. An die zweitausend Flüchtlinge waren von der Erde ausgewiesen worden. Und wenn Lokondra sie in die Finger bekam, würde er sie umbringen oder in seine berüchtigten Lager sperren, um sie dort mit brutalen Mitteln umzuerziehen und später mit ihnen seine Armee zu vergrößern. Hope und Ariel litten bis heute an den Erinnerungen ihrer kurzen Gefangenschaft dort und sie würden es wahrscheinlich noch ihr ganzes Leben lang tun.
Eine Hand berührte mich an der Schulter. Iason. Er hatte einen Munitionsgürtel quer über den Brustkorb gelegt. Ich klammerte mich an ihn und kämpfte gegen die heißen Tränen, die hinter meinen Augen pochten. »Versprich mir, dass du wiederkommst«, flüsterte ich. »Und versprich mir, dass du alle sicher nach Hause bringst.«
Er zog mich fest an sich, vergrub sein Gesicht in meinem Haar. »Bitte, Mia, lass mich nicht bereuen, dass ich dich hier allein lasse. Ich flehe dich an, pass auf dich auf.«
Ich kämpfte um meine Gefühle. Es war fast noch schwerer als ein Kampf gegen Initiation, aber ich schaffte es. Für ihn. »Das werde ich, versprochen. Kümmere du dich jetzt nur um das, was vor dir liegt. Konzentriere dich allein darauf, hörst du! Bitte, Iason, pass auf dich auf.«
Er rang sich ein Lächeln ab und legte die Stirn an meine. Wir schlossen beide die Augen und schickten uns Kraft. Ein letzter zärtlicher Moment, als er mit seiner Nasenspitze behutsam meine anstupste. Dann ließ er mich los. Ich wollte ihm noch sagen, dass ich ihn über alles liebte, aber meine Stimme fand den Weg nicht mehr.
Ich sah ihnen nach.
Ein Zug voller Menschen.
Wer von ihnen würde zurückkommen?
Ich spürte Iasons Herzschlag, lauschte dem vertrauten Dum … Dum … Dum … Dum, während sie im Wald verschwanden. Und dann, es war, als hätte jemand den Stecker gezogen oder irgendein Licht in mir ausgeknipst.
Ich fühlte ihn nicht mehr.
Neben mir hörte ich jemanden weinen. Ganz leise. Mirjam.
Dritter Teil
Wenn die Macht der Liebe die Liebe zur Macht übersteigt,
erst dann wird die Welt endlich wissen, was Frieden heißt.
Jimi Hendrix
29
E ine quälende Zeit des Wartens war angebrochen. Die Hände um meine Beine geschlungen saß ich auf der Bank am Tisch und blickte durch die Jadismembran. Der Dorfplatz war wie ausgestorben. Gestern noch hatte hier reges Treiben geherrscht, und alle waren emsig dabei gewesen, das Reunionsfest vorzubereiten. Voller Hoffnung auf eine von nun an bessere Zeit. Aber würde dieser Krieg jemals enden?
Ajna reichte mir eine Tasse Tee. Ich sah zu ihr hoch und nahm sie dankbar entgegen. Weder sie noch ich brachten die Kraft auf, uns ein ermutigendes Lächeln zu schenken. Das bisschen Stärke, das wir noch hatten, sparten wir für die Kinder auf. Und davon betreuten wir mit Mirjam und Hell gemeinsam gerade siebenundzwanzig, die jetzt zum Glück alle schliefen. Emmi hatte erst vor wenigen Minuten die Augen zugemacht. Nun lag sie zusammengerollt vor dem Elmsfeuer, die anderen waren unten in den vielen Zimmern untergebracht. Ich ging zu der Kleinen und zog ihr die Decke hoch über die Schultern. Ajna stillte ihren Säugling.
»Ajna, darf ich dich etwas fragen?« Meine Stimme klang leidenschaftslos und sehr müde und doch füllte sie den ganzen Raum aus.
»Hm?« Sie streichelte ihrem Kind über den Kopf und es schloss die Augen.
»Glaubt ihr auf Loduun an einen Gott?«
Ihre Mundwinkel hoben sich, aber es war kein Lächeln. »Wir glauben an die Kraft des Ursprungs. Dass sie alles vorherbestimmt.« Sie bettete ihr schlafendes Baby in ein Nest aus Decken. »Und ihr?«
Ich senkte den Blick. »Das ist bei uns ganz unterschiedlich. Man kann an verschiedene Götter glauben. Aber irgendwie denke ich immer, dass es sich dabei um ein- und denselben handelt. Dass es nur mehrere Namen für ihn gibt.«
Sie setzte sich zu mir und nahm meine Hände in ihre. »Dann lass es uns tun. Lass uns
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