Sternenstaub
zu ihnen allen, zu diesem einen beten.«
Ein Tapsen drang durch die Stille, ich nahm meine gefalteten Hände auseinander und hob den Kopf, als Bo verschlafen die Treppe hinaufkam.
»Kannst du nicht mehr einschlafen?«
Der Junge schüttelte seinen blonden Wuschelkopf und in diesem Moment erinnerte er mich schmerzlich an Tony. Wie oft schon hatte ich die kleine Erbse wieder zurück ins Bett gebracht und mich zu ihm gelegt, weil ihn das Heimweh und schlechte Träume aus dem Schlaf geschreckt hatten? Jetzt war er auf dem Weg nach Hause. Eigentlich hatte er sich das so sehr gewünscht. Aber die Chance, dass er die Ankunft hier überlebte, verschwand wie Eis in der Sonne … Gott, die meisten Kinder waren doch noch viel zu jung zum Sleiten. Ich weigerte mich, weiter so zu denken. Wenn uns die Hoffnung verließ, was blieb uns dann noch? Sie mussten es schaffen. Sie mussten einfach.
Ja, so war der erste Tag. Und auch die darauffolgenden wurden von Angst und Sorge um die Kinder und diejenigen, die ins Fort aufgebrochen waren, begleitet.
Das Einzige, was auf skurrile Weise für Ablenkung sorgte, waren Mirjams kaum nachvollziehbare Schnitzer, die sie sich natürlich nach wie vor leistete. So wie diesen hier:
Ich spielte gerade mit Ariel und einem anderen Jungen am Esstisch Karten, als Emmi die Treppen aus dem Untergeschoss hinaufgestürmt kam.
»Kind, was ist denn mit dir passiert?«, rief Ajna entsetzt, worauf ich mich augenblicklich umdrehte.
»Emmi!« Auch ich riss vor Schreck die Hände an meine Wangen.
Die Kleine aber strahlte glückselig. »Mirjam hat mir dü Lüppen aufgepolschtert«, nuschelte sie. »Ischt noch ’n bischn dick, Mirjam maint aba, das schwüllt gleisch ab. Sie hat es nur gansch leischt gemacht.«
Ich verengte die Augen. »So? Meint sie das?«
»Von wegen!« Ariel legte ein Bein auf die Bank und sah sie an. »Emmi, du siehst aus wie ein Fisch, der seinen Mund gegen eine Glasscheibe drückt.«
So falsch war der Vergleich gar nicht. Ehrlich, ihr ganzes zartes Kindergesicht war verzerrt.
Emmi aber schien sich zu gefallen. »Jetzt ist Luna dran.«
»Luna!« Ich hatte sie für vernünftiger gehalten.
Gut, wehzutun schien es Emmi nicht, denn jetzt drehte sie sich mit ausgebreiteten Armen im Kreis, und ich wollte gerade zur Treppe, um mir Mirjam vorzuknöpfen, als von unten ein Schrei ertönte.
»Mist! Hilfe! HILFE!!!«
Ariel stürmte vorneweg. Ich ihm nach und auch Ajna folgte uns mit dem Baby im Arm auf den Fuß in Mirjams Zimmer.
Was wir sahen, war … oh, mein Gott! Luna lag bewusstlos und stark zitternd am Boden, als würde sie unter Strom stehen.
Ich stürzte zu ihr. »Was ist passiert?«
Mirjam presste den Handrücken gegen die Lippen und zappelte panisch herum. »Ich wollte ihr mit dem Laserstick einen Pickel am Kinn wegmachen. Da ist sie einfach umgekippt.«
»Lass mich mal.« Ajna gab mir ihr Baby und strich mit den Fingern und geschlossenen Augen über Lunas Körper. »Sie ist voller Energie. Wahrscheinlich ein Schock.«
»Bitte, tut doch was!«, kreischte Mirjam.
»Muss Luna jetzt sterben?«, fragte Bo.
Ajna schüttelte den Kopf. »Nein, sobald sich die Energie etwas entladen hat, erholt sie sich wieder. Ariel, hilfst du mir?«
Der Junge nickte. Er kniete sich neben sie und strich Luna auf eine so behutsame Weise die Haare aus dem Gesicht, wie ich es noch nie bei ihm gesehen hatte. Mutter und Sohn sahen sich dabei an und zwischen ihren Blicken entstand ein blaues Schimmern, wie ein Band. Jetzt wandten sie ihre Blicke Luna zu, aber die Verbindung zwischen ihnen blieb bestehen. Sie hoben ihre Hände und fuhren damit ganz langsam über Lunas Körper, ohne sie zu berühren. Was machten die beiden da?
Es war, als würde aus Lunas Leib eine blaue Wolke aufsteigen, die von Ajnas und Ariels Händen eingesogen wurde.
Lunas Zittern wurde weniger und immer weniger, bis sie schließlich ganz still dalag.
»So, jetzt ist ihr Energiepegel wieder normal.«
»Ihr könnt Energie absaugen?«, fragte ich verblüfft.
»Wir können sie anders verteilen«, präzisierte Ajna.
»Oh«, sagte ich erstaunt, drehte mich dann aber stinksauer um die eigene Achse. »Sag mal, Mirjam, hast du an Emmi nicht gemerkt, dass dein Laserbeauty-Set bei Loduunern viel stärker wirkt als bei uns?«
»Sorry«, jammerte sie mit panisch aufgerissenen Augen. »Ich hatte das Gerät extra ganz leicht eingestellt.«
»So leicht, dass Luna einen Energieschock hat. Super, Mirjam.«
»Konnte ich doch nicht
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