Sternenstaub
glaube, sogar die Welt hielt den Atem an. Langsam, ohne den Blick von mir zu nehmen, legte er die Hand an den Kragen seines Hemdes und öffnete die Knöpfe. Genau wie Iason damals, als ich mit ihm das Herz geteilt hatte. Ich starrte Lokondra an. Hallo? Was tat ich hier eigentlich gerade!? Mia, bist du eigentlich noch ganz dicht?
Sein Shanjas zeichnete sich wie ein pulsierender Kristall vor der honigfarbenen Haut ab. Ich stand ihm so nah, sein Licht umhüllte unsere Körper, durchwirkte die Luft und tauchte den Raum in schimmerndes Grün. »Mein Engel«, sagte er, neigte den Kopf und schmiegte die Wange an meine. Dabei nahm er meine Hand und führte sie sanft an sein Shanjas. Genau wie Iason, dachte ich wieder und spürte, wie mir ein Schauder den Rücken hinaufkroch. Ich brachte keinen Ton hervor, als Lokondra seine andere Hand an mein Herz legte und ich sah, wie sein Shanjas meine Hand durchleuchtete, schloss ich die Augen. Bitte, lieber Gott, lass das hier nur gut gehen.
Als Nächstes empfand ich eine überirdische Wärme. Nun verstärkten die Privilegierten rings um uns herum also ihr Strahlen. Gleich würden sie uns in die Luft emporschweben lassen. Es war ein eigentümliches Gefühl, auf diese Weise hier gemeinsam mit Lokondra den Boden unter den Füßen zu verlieren. Weiter und weiter stiegen wir in die Luft. Höher und höher. Ich spürte einen Windhauch. Die Decke über uns schob sich mit leisem Summen auseinander. Wie hoch waren wir schon? Ich getraute mich nicht, die Augen zu öffnen, bemerkte einen Schwindel, wie einen sonderbaren Rausch. Jetzt drehten wir uns im Kreis.
Ich spürte die Veränderung, wie sie kam, hörte das Klopfen meines Herzens, oder war es seines? Und dann hörte ich, wie ein anderes Klopfen, das mich stets begleitet hatte, leiser wurde. Es war wie der wohlige Klang eines vertrauten inneren Uhrwerks, Iasons Klang, der nun zum Stillstand kam, verstummte, und für den jetzt ein neuer einsetzte …
Der neue fremde Herzschlag wurde lauter und lauter, durchdrang mit jedem Pochen meinen Körper, er wurde immer intensiver, und ich fühlte, wie er auf meinen zuwanderte. Ich bekam Angst, versuchte ihn mit mentaler Kraft von mir zu stoßen, aber er ließ sich nicht aufhalten, drang immer weiter auf mich zu. Ich empfand seinen Pulsschlag stärker als meinen, bekam noch mehr Panik, noch mehr Angst! Merkte, wie sich das Klopfen unserer Herzen mehr und mehr einander anpasste, bis sie schließlich im gleichen Rhythmus schlugen und zu einem verschmolzen …
44
E ndlich hatte ich wieder Boden unter den Füßen.
Als hätte ich eine Begegnung mit dem Teufel gehabt, riss ich die Augen auf. Zum Henker! Ich hatte eine Begegnung mit dem Teufel! Lokondra stand ganz dicht vor mir, hielt meine Hand.
Was war denn jetzt passiert? Das konnte nicht sein! Es hatte funktioniert! Ach du lieber Himmel! Ich war mit einem Massenmörder verbunden!
Lokondras Augen weiteten sich. Von der Wucht meiner Gefühle getroffen, taumelte er mehrere Schritte zurück. Ich muss sagen, ich war aber auch so was von durcheinander. Um ein Haar wäre er rückwärts über eine hüfthohe und mit Blumen bepflanzte Amphore gestolpert, wäre da nicht eine Drohnin gewesen, die geistesgegenwärtig reagiert und ihn im letzten Moment aufgefangen hätte. Eine nächste Drohnin eilte herbei, um das Steingefäß festzuhalten, das daraufhin gefährlich ins Wanken geriet.
»So fühlt es sich also an«, keuchte er mit gierig aufgerissenen Augen und mir schwappte von seiner Seite eine gehörige Mischung aus Faszination und Ehrfurcht entgegen, die aber auch mit etwas Angst gepaart waren.
Eine kleine Gruppe Drohnen klatschte höflich Beifall. Natürlich, sie waren ja auf irdische Verhaltensweisen konditioniert.
Aber wie konnte das sein? Wie war das möglich? Ich war entsetzt und genau so starrte ich ihn jetzt auch an.
Die Drohnin half ihm, sich wieder aufzurichten. Er kämpfte um Fassung und zog sein Jackett straff. »Warum bist du so schockiert?«
Ich starrte an mir hinab, konnte kaum begreifen, dass diese Frau im grünen Kleid, Lokondras Verbündete, also, dass das tatsächlich ich war! »Nichts, es ist nur …«
Als ich nicht weitersprach, legte er mir den Finger unter das Kinn und brachte mich dazu in seinen feurigen Blick einzutauchen. »Dass unsere Verbindung funktioniert hat, obwohl du dein Herz schon mit Iason geteilt hast?«
Woher wusste er?
Er legte den Kopf in den Nacken und lachte. Es war ein Lachen, das alles enthielt,
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