Sternenstaub
da.
Iason hielt Hell mit der einen Hand und ergriff mit der anderen meine. Auch sein Gesicht und die Haare waren schweißüberströmt. »Los! Weg hier!«
»Nein, nicht auf die Hauptterrassen!« Genau wie bei unseren Katastrophenübungen in der Stadt flohen alle dorthin, weil diese den kürzesten Weg boten. »Wir sollten lieber an den Kraterrand und die Felstreppen hinauf.«
Hell legte die Arme über unsere Schultern und wir trugen ihn, während Klara ihn mit den mentalen Heilkünsten versorgte, die sie beim Laufen aufbieten konnte. Bert folgte uns mit Tony auf der Hüfte. Wir kamen dem Kraterrand näher. Die schmalen Stufen waren restlos überfüllt. Immer wieder fielen Körper an uns vorbei in die Tiefe. Verdammt! Und jetzt? Da! Da war eine Felsnische, die uns erst mal Schutz bot.
Bert ließ sich auf einen Vorsprung sinken. Tony saß auf seinem Knie und die Hand, mit der Bert ihn festhielt, zitterte. »Ihr müsst ohne mich weiter. Ich kann nicht mehr. Erst der Hitzeschild und jetzt das – das pack ich auch als Halbloduuner nicht.«
Niemals!
Klara sprang zu ihm und nahm fachkundig sein Gesicht in die Hände. Er schwankte leicht, sein Blick wirkte so vernebelt, dass ich Angst bekam, er könnte jeden Moment die Besinnung verlieren. Tony hatte sein Gesicht in Berts Hemd vergraben und schluchzte hemmungslos.
»Es ist die Hitze«, diagnostizierte Klara.
»Dann hilf ihm«, sagte ich panisch.
»Das kann ich nur begrenzt. Wir müssen ihn dringend abkühlen.«
Was jetzt? Da kam mir eine Idee. »Bert! Hör zu. Hör mir zu!«
Leicht benommen gab er meinem Drängen nach und sah mich an.
»Du kannst jetzt nicht aufgeben, denn wir werden dich hier auf keinen Fall zurücklassen! Ich habe dich doch gerade erst adoptiert!«
Ein schwaches Fragezeichen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Okay, er war also noch ansprechbar. Das war gut. Gut. Und jetzt würde ich ihn an seiner Emohippie-Ehre packen, so hätte Finn es wahrscheinlich ausgedrückt. Wenn Bert etwas durchstand, dann deshalb.
»Als meinen Dad«, sagte ich zärtlich und drängend zugleich. »Bitte lass mich dich nicht gleich wieder verlieren. Wir brauchen dich. Wir alle.«
Da fing Bert an zu heulen. Es war ein geschocktes und müdes Heulen, aber vor allem war er erschöpft, so erschöpft. Und dann nickte er.
»Bitte, gib dein Bestes, damit er durchhält«, sagte ich zu Klara. »Ich bin sofort zurück.« Ich wollte gerade lostürzen, als Iason mich am Arm festhielt. »Was auch immer du vorhast, du gehst hier keinen Schritt ohne mich.«
Ich fuhr zu ihm herum. Keine Zeit zu diskutieren. Und mit ihm schon gar nicht. »Wir sind auf der Höhe der zehnten Terrasse beim Techniktower. Wenn Lokondra seine Hausaufgaben gemacht hat, ist hier eine Etage tiefer ein großer Supermarkt.«
Iasons Augen flammten auf. »Bist du dir sicher?«
War ich das? Mist, der Rauch benebelte so krass mein Gehirn. Erinnerte ich mich richtig? Gott, erinnerte ich mich richtig!? Falls nicht, würden wir hier in kürzester Zeit alle begraben werden. »Ich glaube schon.«
Mit gehetzten Atemstößen fuhr ich zu Hell herum. Stand er da? Ich sah kaum noch was, tastete mich nach vorn, traf mit den Fingerspitzen seinen Arm. »Bleib bei Tony! Es dauert nur ganz kurz.«
Hell nickte und ich stützte ihn bis zum schützenden Felsvorsprung, wo Klara hingebungsvoll darum kämpfte, dass Bert wach blieb, während Tony neben ihnen saß und seinen Heimpapa anschrie: »Bert! Bert! Bert!«
Humpelnd ließ Hell sich neben dem Jungen nieder und zog ihn auf seine Knie. Tony sah mich mit wässrigen Augen an. Kurzes Zögern. Bert und Iason nickten. Ich gab Tony einen Kuss auf die heiße Stirn. Vielleicht ein letztes Mal.
Und los! Wir kämpften uns die schmale Treppe hinab. Sie war voller Loduuner, die uns entgegen nach oben strömten. Dann erreichten wir die zehnte Terrasse. Schläge. Hiebe. Ausgefahrene Ellbogen. Jeder war sich hier selbst der Nächste. Nur Iason nicht. Als ich einen heftigen Rempler abbekam, der mich mit dem Rücken über die Brüstung katapultierte, stürzte er in letzter Sekunde zu mir und bekam mich am Revers meiner Jacke zu greifen. Anschließend stützte er sich mit schweißüberströmtem Gesicht keuchend auf den Knien ab.
»Hältst du es aus?«, frage ich besorgt. Er nickte nur, nahm meine Hand und wir liefen weiter. Ab da stieß auch ich jeden, der sich uns in den Weg stellte, zur Seite.
Feuerwalzen stiegen an und aus den Gebäuden empor.
Plötzlich fuhr ein Grollen, sogar lauter
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