Sternenstaub
jemandem etwas schuldig war, dann meiner Lena.
Anschließend richtete er sich mit großen ungläubigen Augen wieder auf, wobei er mit der Zunge unsicher über seine Lippen strich.
»Danke«, grinste Lena und Finn stammelte irgendetwas Unsinniges von wegen »Gern geschehen« oder so, man verstand ihn nicht genau. Danach ergriff er völlig aus der Bahn geworfen die Flucht.
Als ich die Tür hinter ihm schloss, sagte sie: »Das war alles wert.«
»Du bist unmöglich«, tadelte ich sie liebevoll. Dann aber wurde die Stimmung augenblicklich ernster.
Lena sah mich an. »Wissen die anderen, was … passiert ist?«
Ich schüttelte den Kopf, versteifte mich und wischte mit meinen Handflächen über meine Jeans. »Wenn Frank erfährt, was er unter Tarias Einfluss getan hat, wird er seines Lebens nicht mehr froh.«
Sie stöhnte leise. »Und deshalb darf er es auch nie erfahren.«
Meine Augenbrauen schossen überrascht nach oben. »Du meinst, wir sollen den anderen die Wahrheit verschweigen?«
Sie biss sich auf die Zähne und versuchte unter Schmerzen, in eine andere Position zu kommen. Schnell schnappte ich mir das Kissen aus dem Nachbarbett und schob es ihr unter.
»Genau«, ächzte sie. »Wir müssen Frank schützen.«
Nicht, dass ich das anders gesehen hätte, aber: »So etwas aus deinem Mund?« Sollte das etwa bedeuten, dass sie inzwischen nachvollziehen konnte, weshalb ich sie damals mit meinem Schweigen über Tom O’Brians Entführung nur hatte schützen wollen?
»Du weißt, warum die Initiation bei mir nicht funktioniert hat?« Lenas Stimme klang wieder schwächer, das Adrenalin vom Kuss war scheinbar verpufft.
Statt einer Antwort blickte ich zu ihrem Handgelenk. Sie zog das Envedasarmband ab.
»Nimm du es wieder.«
»Nein.« Ich wich zurück.
»Hey, ich bin im Krankenhaus«, stöhnte sie, »da musst du mir jeden Wunsch erfüllen. So läuft das doch, oder? Sogar … Finn hat auf mich gehört.«
Ich war fassungslos. Wie konnte sie nur glauben, dass ich ihr, gerade nach dem, was passiert war, auch noch den letzten Schutz wegnehmen würde?
»Sie will dich, Mia, nicht mich«, flüsterte sie. »Du musst auf dich aufpassen … bitte.«
Ich schluckte und streckte zögernd die Hand aus. Einen Streit konnte sie jetzt echt nicht gebrauchen.
Beruhigt blinzelte Lena mich an, ehe sie erschöpft die schweren Lider wieder sinken ließ.
Lang und lange noch blieb ich an ihrem Bett sitzen und sah zu, wie sie in einen unruhigen Schlaf fiel, der allmählich ruhiger wurde, bis sich auch ihr schmerzgeplagtes leises Stöhnen in gleichmäßigen, entspannteren Atemzügen verlor.
Mit jeder Sekunde, die ich sie ansah, wuchs mein Bereuen. Wie hatte ich nur so naiv sein können? Wie hatte ich nur außer Acht lassen können, dass Taria, wenn ich mich ihr weiter widersetzte, all die Menschen bezahlen lassen würde, die ich liebte? Spätestens nach der Sache im Leuchtturm wusste sie doch genau, dass sie mich damit spielend leicht in die Knie zwingen konnte.
So etwas wird nie wieder geschehen, versprach ich Lena im Geiste, ehe ich aufstand und meine beste Freundin verließ.
Als ich lautlos die Zimmertür hinter mir schloss, hatte sich der Warteraum weitestgehend geleert. Lediglich Finn und Iason waren noch da. Zwei leise atmende Körper. Finn hatte sich auf der leeren Stuhlreihe langgemacht und Iason saß neben ihm. Mit nach vorn gesacktem Oberkörper, die Ellbogen auf die Knie gestützt, schlief er mit der Stirn auf den Handballen. Sachte berührte ich ihn an der Schulter. Er richtete sich sofort auf und wischte sich über das Gesicht, als ich etwas weiter hinten im Gang noch eine Gestalt erblickte. Weißes Leinenhemd, breite Schultern und das Haar im Nacken zusammengebunden. – Dad.
Unsicher sah ich zu Iason.
»Geh schon zu ihm«, sagte er mir mit einer auffordernden Kopfbewegung.
Er hatte ja recht. »Ich ruf dich später an, okay?«
Iason schickte mir einen aufmunternden Energiestoß und ich ließ ihn Dank für sein Verständnis spüren, während ich den langen Flur entlangging.
Als mein Dad meine Schritte hörte, drehte er sich um und in diesem Moment wurde seine Miene ganz zart. »Mia, es tut mir so leid.« Er öffnete die Arme, ich zögerte kurz, lehnte dann aber müde den Kopf an seine Brust. Zu erschöpft für weitere Fragen. Zu traurig, um diesem Moment zu misstrauen.
»Komm, ich bring dich heim.«
In Gedanken ganz bei Lena, wie sie in diesem Krankenhausbett lag – Himmel, es war so knapp gewesen – ließ
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