Sternenstaub
Worten verließ er unsere Wohnung.
Mein Blick hetzte hin und her. Ich fühlte mich so … zerrissen, also blieb ich an Ort und Stelle stehen.
Angewidert schüttelte ich den Kopf, als könnte so alles, was ich gehört hatte, aus meiner Erinnerung fallen. »Das ist jetzt nicht dein Ernst!« Ich wollte einfach nicht glauben, dass sie das gesagt hatte. »Du kannst ihn doch nicht einfach so aus meinem Leben schmeißen.«
Meine Mum tippte sich mit einer langsamen, aber sehr intensiven Geste gegen die Brust. » Ich schmeiße ihn aus deinem Leben?«
»Was war das denn sonst gerade!?«
Da platzte meiner Mum der Kragen. »So, mein Fräulein, dann sag mir doch mal, wo dein feiner Vater die letzten zehn Jahre war, wenn du ihn gebraucht hast? Wer hat denn immer an deinem Bett gesessen, wenn du krank warst? Oder als du deinen ersten Liebeskummer hattest? Wo war er letztlich bei deiner Verbindungsfeier!?«
Ich sprang auf. »Schon mal überlegt, ob er da vielleicht wegen dir nicht aufgekreuzt ist!?«, schoss ich zurück.
Meine Mutter wurde bleich.
Ich bemühte mich, meine Stimme etwas zu senken, aber dafür mischte sich jetzt ein schneidender Unterton in meine Worte. »Vielleicht hast du ja immer schon zu viel von ihm verlangt. Merkst du nicht, wie du andauernd versuchst, ihn zu ändern? Wenn du ihn damals schon ständig so fertiggemacht hast, ist es doch kein Wunder, dass er es nicht mehr bei dir ausgehalten hat.«
Mir war klar, dass es nicht fair war, ihr die alleinige Schuld zu geben, aber ich war so voller Wut, Wut auf sie, auf mich und auf alles, so fühlte sich die Enttäuschung nun einmal an. »Das willst du nicht hören, stimmt’s? Die tolle Mum, die immer alles im Griff hat, die alles alleine schafft. Vielleicht hättest du ihm ja ab und an mal zeigen sollen, dass du ihn brauchst.«
Mit diesen Worten knallte ich die Tür hinter mir zu; wollte ihm folgen. Aber als ich auf der Straße stand und mich umsah, war er nirgends mehr zu sehen.
Flugschiffe zogen in dunklen Schatten am orangeroten Himmel entlang. Sonnenaufgang. Ich richtete einen kurzen Blick zu unserem Küchenfenster hinauf. War ich zu hart zu Mum gewesen? Die Erinnerung an den Streit meiner Eltern ließ erneut Wut in mir aufschäumen, die sich aber schon bald in lähmenden Frust verwandelte. Jenen typischen Frust, den ich als Trennungskind immer mal wieder erleben durfte, nämlich stets dann, wenn mir meine Eltern aufs Neue klarmachten, dass ich nichts daran ändern konnte, dass sie so furchtbar miteinander umgingen, es lag einfach nicht in meiner Macht, ganz egal, wie sehr ich es mir wünschte. Aber wie hatten sie diesen Mist nur ausgerechnet jetzt über mir ausschütten können? Sie wussten doch beide, was heute Nacht alles passiert war.
Und Dad war verschwunden. Er hätte doch auf mich warten können. War ich überhaupt einmal wichtig in seinem Leben? Mit voller Wucht trat ich gegen eine Straßenlaterne, leider ohne mir in diesem Moment auch nur annähernd über die schmerzhafte Konsequenz bewusst zu sein. Nachdem ich eine geraume Weile mit einem Verdammter-Mist-Singsang im Kreis gehüpft war, fuhr ich mir müde über das Gesicht. Mein Kopf platzte fast von den ganzen umherwirbelnden Gedanken und Überlegungen. Ich wollte gerade Iason anrufen, als ich wieder diesen überirdischen Luftzug und eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahrnahm. – Was war das? Ich drehte den Kopf. Ein transparentes Nebelgebilde zog an mir vorbei, das nur erkennbar war, weil es von einem kupferfarbenen Schein durchwirkt war. Das gab’s doch nicht! Es war … sein Schein. Ja, das war eindeutig sein Leuchten. Aber wie konnte das sein? Er war doch tot. Ein toter Wächter mit unerfülltem Sinn. Ein tragisches Schicksal. Ich blickte auf mein linkes Handgelenk, wo ich das Envedasarmband trug und somit vor jeglicher Gedankenmanipulation geschützt war.
Wieder dieser überirdische Hauch.
Ich zückte meinen iCommplete. »Iason.«
»Was ist los?«
»Ich glaube, ich sehe Elai.«
7
D as Schiff verließ die Kuppelgrenze. Außer mir war keiner da. Nur zwei Sitze vor mir das kupferfarbene Schimmern. Ich ließ es nicht aus den Augen. Verlor nie den Kontakt.
Das Schiff überflog ein dichtes Waldgebiet im Osten. Wie ein flauschiger hell- und dunkelgrüner Teppich zog es sich unter uns entlang. Die Wiederaufforstung war an dieser Stelle eindeutig geglückt.
Blickte ich hier etwa gerade einer neuen Zukunft entgegen? Würde es so bald überall aussehen? Meine zarte Hoffnung
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