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Sternenstaub

Sternenstaub

Titel: Sternenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Winter
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schöpfte er Kraft. Dann öffnete er beide Augen und sah mich mit einem topasblauen Schimmern an. »Fühlst du das nicht?«
    Vielleicht, aber Gefühl und Gedanken waren schließlich zwei unterschiedliche Paare Schuhe.
    Keine vier Stunden später – es war unglaublich, aber wahr – waren alle Kratzer, ja, selbst die tiefe Wunde an Iasons Bein nahezu komplett verheilt.
    »Das ist ja krass!«, staunte ich zum wiederholten Mal mit ungläubigem Blick auf das von mir mit frischen Blättern abgewischte Bein. »Glaubst du, dass du schon wieder laufen kannst?«
    Iason zuckte lässig mit der Schulter. »Mein Clan befindet sich ganz hier in der Nähe.«
    »Und das sagst du erst jetzt? Dann hätte ich doch auch Hilfe holen können.«
    Iason winkelte das gesunde Knie an und stützte den Unterarm darauf. »So hatten wir endlich mal ein bisschen Zeit für uns allein.« Samt einem Flimmerblick schickte er mir seine Gefühle und die waren gerade ziemlich, na ja, verführerisch.
    Ich riss die Augen auf. »Du bist doch echt nicht mehr zu retten!«
    Siegesgewiss entfesselte er die ganze Kraft seines außerirdischen Blicks. Der, von dem er ganz genau wusste, dass ich ihm nur schwer widerstehen konnte. Und dann glaubte ich auch noch, eine gewisse Belustigung zu erspüren. »Ich meine, eben das Gegenteil bewiesen zu haben.«
    Ich war fassungslos und gleichzeitig dermaßen erleichtert, dass es mir nur schwer gelang, eine ernste Miene zu bewahren. »Hallo! Du bist gerade eben dem Tod von der Schippe gesprungen. Nee, jetzt wird nicht … was auch immer. Vergiss es!«
    Er grinste, als wäre er sich da nicht so sicher. »Nun, meiner Genesung wäre es bestimmt zuträglich.«
    Grundsätzlich schätzte er die Lage ja schon richtig ein, aber der Gedanke, dass jeden Moment Papa Santo um die Ecke kommen könnte und am besten noch mit Iasons Brüdern im Gefolge … Nein, in irgendeiner verfänglichen Pose sollte meine erste Begegnung mit seiner Familie ganz bestimmt nicht stattfinden. Deshalb stand ich auf. »Komm, ich will endlich deine Familie kennenlernen.«
    Als hätte er sich den Kopf am Türsturz gestoßen, gab er mir die Hand, damit ich ihn hochzog, aber so sehr ich mich auch bemühte, er war viel zu schwer und zog mich mehr mit sich nach unten, als dass ich ihm aufhalf, weshalb ich es nach kurzer Zeit aufgab. Interessant war nur, dass Iason keine Sekunde später mit einem kräftigen Satz von selbst auf den Beinen stand. Er legte den Arm um meine Schultern. »Okay, ich gebe auf – erst mal!«, betonte er dann noch.
    »Dir ist die Vernunft wohl in die Hose gerutscht«, sagte ich kopfschüttelnd, während ein leiser Gedanke in mir klopfte. Irgendwie, so kam es mir vor, schien sich das Verhältnis zwischen Verstand und Gefühl bei uns langsam etwas zu verkehren. Ob das an unseren geteilten Emotionen lag?
     
    Der Weg führte weiter geradeaus, aber Iason lenkte uns nach links auf einen schmalen, fast unscheinbaren Pfad, der lediglich aus einer niedergetretenen Krautschicht bestand. Hier wuchs nur eine Blumenart, deren winzige Blüten so blass waren, dass sie fast durchsichtig schienen. Bis uns die tiefhängenden Zweige eines gewaltigen Grasbaums den Weg versperrten. Der Baum hieß natürlich nicht wirklich so, aber genau so sah er aus, weil seine Äste, statt mit Blättern von Gras überwuchert waren.
    Iason ließ mich los und hielt einen Zweig nach oben, damit ich darunter hindurchschlüpfen konnte.
    »Ich bitte einzutreten.« Seine Augen sandten mir ein geheimnisvolles Flackern.
    Was verbarg sich dahinter? Das Tor zu einer anderen Welt? Zu seiner Welt? Ich ließ mich auf sein galantes Spiel ein und begegnete ihm mit einem überspitzt vornehmen Lächeln. »Danke, Mr. Santo.«
    »Es ist mir eine Ehre, Frau Wiedemann.«
    Um hinter das rätselhafte Schmunzeln auf seinem Gesicht zu kommen, schlüpfte ich unter seinem Arm durch und er folgte mir.
    Der zarte Ast wippte wie eine Feder nach.
    Wir blieben stehen.
    Hinter dem Grasbaum begann ein nächstes in allen Farben schimmerndes Waldstück, das allerdings lichter war als der Dschungel hinter uns. Die Sonne schickte zitternde Lichtstrahlen durch das tischgroße Laub, das seine Schatten über unsere Gesichter tanzen ließ. Durch die im Vergleich dazu kargen Baumstämme hier konnte ich eine weite Wiese dahinter erkennen, die wie ein ehemals bewirtschaftetes Feld oder so etwas aussah. Seitlich begrenzt von einer undurchdringlich wirkenden Vegetation, aus der eine Gebirgskette ragte. Wir

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