Sternenteufel
Grund für alles«, erklang die Stimme erneut. »Bis jetzt hat das Yurthblut den endgültigen Pfad, den es beschreiten muß, noch nicht gefunden. Es ist ihnen bestimmt, ihre Suche nie aufzugeben. Vielleicht werdet ihr, die ihr die Pilgerung jetzt gemacht habt, diesen Pfad finden und jene, die im dunklen irren, ins Licht bringen. Sucht – denn es gibt diesen Pfad.«
Die Stimme erstarb. Ohne daß man es ihr sagte, wußte Elossa, sie würde nie wieder zu ihr sprechen. Ein so ungeheures Gefühl des Verlusts und der Einsamkeit erfüllte sie plötzlich, daß sie laut aufschluchzte und das Gesicht in den Händen barg.
Tränen flossen über ihre Wangen und benetzten die Hände. Das Gefühl des Verlusts war noch viel schlimmer als beim Tod eines Menschen aus dem Clan. Jetzt wurde ihr erst richtig bewußt, daß es unter den Yurth keine wirklich engen Beziehungen gab. Jeder war für sich allein, war im Gefängnis seines Ichs eingesperrt. Bisher hatte sie diese Einsamkeit als normal erachtet, doch jetzt erkannte sie sie als Teil der Strafe, die die Überlebenden auf sich genommen hatten und die durch die Maschinenbehandlung erzwungen worden war.
Ganz tief in ihrem Innern verspürte sie plötzlich ein Bedürfnis. Ein Bedürfnis wonach? Weshalb mußte ihnen diese Strafe wieder und immer wieder auferlegt werden, Generationen um Generationen? Was war es, das sie finden mußten, um wieder ganz frei zu sein? Frei, wenn auch nicht, um die Sterne zu erreichen, von denen sie verbannt waren, doch frei, nicht immer getrennt zu bleiben – getrennt selbst von ihrer eigenen Art.
»Was müssen wir tun?« Elossa ließ die Hände fallen und starrte blicklos auf den milchigen Schirm. Sie hatte nicht die Gedankensprache benutzt, sondern diese Frage laut dem drückenden Schweigen dieses Raumes gestellt.
8.
Elossa erwartete keine Antwort. Sie war sicher, daß sie diese unpersönliche Stimme nie wieder hören würde. Welche Folgen ihr erweitertes Wissen haben würde, hing allein von ihren Überlegungen und Taten ab. Langsam erhob sie sich aus dem thronähnlichen Sitz. Ähnlich, wie ihr Obersinn durch all die Anstrengung hierherzukommen sich allmählich erschöpft hatte, so verlor sie nun Hoffnung und Glauben an die Zukunft.
Was blieb den Yurth? Sie, deren Blut einst die Sterne erobert hatte, waren für immer auf eine Welt verpflanzt, die sie haßte. Von welchem Nutzen waren sie hier? Es erschien ihr besser, ihrer Existenz ein Ende zu machen …
Düstere, bittere Gedanken waren es, die sich festgesetzt hatten und die Welt grau und kalt erschienen ließen.
»Himmelsteufel!«
Elossa drehte sich dem Raski zu, um seinem Blick zu begegnen. Sie hatte ihn vergessen gehabt. Hatte er gesehen, was sie mitzuerleben gezwungen gewesen war? Die Vernichtung seiner Welt, derer, die seines Blutes gewesen waren?
Sie streckte die Arme aus, mit den leeren Händen erhoben. »Hast du es gesehen?«
Hatten die Bilder auf dem Schirm nur ihr gegolten? Waren sie durch eine Geisteskraft projiziert worden, die seiner Art verwehrt war?
Jetzt kam er näher. Kein Wahnsinn funkelte mehr aus seinen Augen. Er war nun ganz Mann, von keiner Ausstrahlung Toter besessen. Sein Gesicht wirkte sehr ernst und fest. Ihre Sondierung vermochte seine Gedanken nicht zu lesen. Es war, als könne auch er eine Barriere aufbauen wie die Yurth.
»Ich habe es gesehen.« Seine Stimme brach das flüchtige drückende Schweigen. »Dieses, euer – Schiff brachte der Stadt den Tod. Doch nicht nur der Stadt.« Er hielt inne, als suchte er nach den richtigen Worten, um sich auch völlig unmißverständlich auszudrücken.
»Wir waren ein großes Volk – hast du das gesehen? Wir hausten damals nicht in erbärmlichen Hütten. Was hätten wir jetzt sein können, wäre dieses Schiff nicht gekommen!«
Das Mädchen benetzte die Lippen mit der Zungenspitze. Sie hatte keine Antwort. Es stimmte, daß die Stadt, die sie sowohl auf dem Schirm als auch in ihrer Vision gesehen hatte, größer war als jede, die es nun auf dieser Welt gab. Genau wie in ihren Augen dieser Stans – und das gab sie nun zu – sich von den Raski unterschied, die sie kannte. In ihm mußten noch Spuren jener Kräfte und Fähigkeiten liegen, die Kal-Hath-Tan erbaut hatten.
»Ihr wart ein großes Volk«, pflichtete sie ihm bei. »Eine Stadt starb, ein Volk wurde von Schock und Verzweiflung erfaßt. Aber …« Wieder fuhr ihre Zungenspitze über die Lippen. »Was geschah danach?« Ihr Geist begann die schwere Bürde der
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