Sternenzauber
Cut’n’ Curl, und Pam Peacock, die unscheinbare Leiterin der Dovecote Surgery, und – das konnte doch nicht wahr sein! – sogar Clemmies Nemesis, die stämmige, wichtigtuerische, hassenswerte Bunty Darrington, und …
»Ach du Scheiße!«
»Was denn, Süße?« YaYa hatte schweigend zugesehen, wie alle Trauernden einen lockeren Kreis um die schwankenden Laternen bildeten. »Wen hast du gesehen?«
»Viel zu viele Leute, die ich kenne«, antwortete Clemmie und schluckte. »Aber vor allem meine Tante Molly! Sie hat gesagt, sie ginge heute Abend zum Frauenverein. Wahrscheinlich haben alle diese Ausrede gebraucht – allerdings ist mir schleierhaft, wie sie erklären wollen, wenn sie erst nach Mitternacht heimkommen. Aber jetzt verstehe ich immerhin den Frosch auf dem Zweig.«
»Entschuldige, Süße«, fragte YaYa. »Da komm ich nicht ganz mit. Welcher Frosch?«
»Ist nicht so wichtig«, antwortete Clemmie schniefend. »Arme Molly. Für mich war sie immer nur vertraut und gemütlich und – na ja – alt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie, bevor sie Onkel Bill geheiratet hat, einmal jung und sexy und ein Max-Angel-Groupie gewesen ist.« Sie kauerte sich hinter YaYa. »Sie darf mich nicht sehen – es wäre ganz scheußlich für sie, wenn sie wüsste, dass ich weiß, was ich nicht wissen sollte. Wenn sie gewollt hätte, dass jemand davon weiß, hätte sie es mir ja erzählt und Onkel Bill nichts von dem Mini-Garten vorgeschwindelt, oder?«
»Ganz wie du meinst, Süße. Ich glaube, ich versteh schon so ungefähr«, sagte YaYa langsam. »Mach dir keine Sorgen, ich versteck dich. Außerdem bezweifle ich, dass sie dich überhaupt bemerkt; bei der Beleuchtung kann man kaum etwas sehen. Obwohl, hast du ihr nicht erzählt, dass du heute Abend ein Feuerwerk machst?«
Clemmie nickte. »Schon, aber nicht wo oder für wen. Sie nimmt sicher an, es ginge um eine Geburtstagsparty oder so. Außerdem weiß sie gar nicht, dass The Gunpowder Plot hier heute Abend am Werk ist. Bei all der Geheimniskrämerei kennt
wahrscheinlich keine den geplanten Ablauf der Bestattung und wird sicher auch jetzt nicht ahnen, dass eine professionelle Feuerwerksfirma daran beteiligt ist. Wahrscheinlich hat man ihnen nur gesagt, wann sie hierherkommen und dass sie Lila tragen sollen. Ich vermute, sie glauben alle, was auch immer heute Abend passiert, gehört einfach zu dem umfassenden Beerdigungsservice der Motions.«
»Das wollen wir hoffen. Verlass dich auf mich, ich biete dir Deckung.«
Guy, feierlich ernst in einem langen schwarzen Mantel, den schmalen schwarzen Schal mehrfach um den Hals gewunden, die Haare vom Wind zerzaust, sah mit seinen schönen, im Kerzenlicht dunklen Gesichtszügen zu ihnen hinüber und bedachte sie zur Aufmunterung mit einem freundlichen schiefen Grinsen.
O Gott, ging es Clemmie plötzlich auf, ich liebe ihn. Wahrhaft und wirklich liebe ich ihn. Es ist nicht so, dass ich einfach nur scharf auf ihn wäre, wie am letzten Maifeiertag, oder dass ich ihn mag, weil ich ihn kenne und mit ihm zusammenarbeite, sondern was ich empfinde, ist tatsächlich diese sensationelle biochemische Mischung von Lust und Begehren und Verlangen und Kennen und Bewundern und Fürsorge und Verständnis und …
Ach, verdammt noch mal.
»Das geht Guy echt an die Nieren«, flüsterte YaYa und schirmte Clemmie ihrem Versprechen gemäß wie ein pflaumenfarbener Paravent mit dramatischer Geste von den fröstelnden Trauergästen ab. »Er kann es gar nicht ertragen, andere weinen zu sehen. Lieber Gott, lass uns nicht länger hier herumhängen, als unbedingt notwendig – ach nein – sieht aus, als ginge es gleich los. Reich mir das Kleenex, Süße.«
Perpetua hatte mit zittrigen Händen sämtlichen Trauergästen
ein Glas Champagner gereicht; Syd hatte die mobile Elektrik in Gang gebracht und mit leisem Knacksen nahm Guy das Mikrofon und begann im Licht einer Taschenlampe ein Blatt Papier vorzulesen, das Constance ihm in die Hand gedrückt hatte.
»Äh – meine Damen … dies ist ein kurzer Nachruf auf Max Angel oder James Lesney, unter welchem Namen manche von Ihnen ihn früher wohl kannten. Er hat seinen Abschiedsgruß an Sie selbst geschrieben, die folgenden Worte stammen also von ihm, nicht von mir.«
Guy machte eine Pause, seine Stimme klang leicht belegt, tönte aber immer noch angenehm tief und beruhigend durch die schwarze kalte Nacht. Mehrere Frauen weinten bereits hörbar. Clemmie wagte nicht nachzusehen, ob Tante Molly auch
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