Sternenzitadelle
derartigen Experimenten unter höllischen Qualen gestorben.
So war Ghës Kabine nach und nach zu einem der belebtesten Treffpunkte El Guazers geworden, weil auch die Erinnerungshüter, die Astronomen, die Externen und Warner – an ihren übergroßen Schädeln erkennbar – ihren Kollegen nicht nachstehen wollten.
Der Weltraumzug hatte inzwischen die Planetoiden, die auf elliptischer Bahn um die Sonne kreisen, hinter sich gelassen, und Ghë hatte den größten Planeten des Sonnensystems der Erde mit seinem Strahlungsgürtel und seinen vierzehn Satelliten bewundert. Das Durchqueren des Gürtels war nicht ungefährlich gewesen, da El Guazer von unzähligen Asteroiden getroffen worden war. Ständig war Alarm ausgelöst worden, doch trotz heftiger Schwankungen hatte der Schutzschild des Weltraumzuges den Attacken im All standgehalten, auch wenn die Menschen an Bord eine baldige Katastrophe fürchteten.
Eine dieser von Panik erfüllten Stunden hatte Gil, ein Angehöriger der Kaste der Herrschenden gewählt, um Ghë heimlich zu besuchen. Als er sicher war, mit ihr allein zu sein, hatte er sich vor ihr verneigt.
»Verzeiht mir mein Eindringen, Schwester Ghë, aber ich
konnte es nicht riskieren, Euch telepathisch zu kontaktieren. Ihr werdet ständig überwacht …«, sagte der junge Mann mit den ebenmäßigen Gesichtszügen. Er trug eine kurze schwarze Jacke und einen kegelförmigen Hut.
»Ich bin Gil, aber ich …«, er senkte seine Stimme zu einem kaum hörbaren Flüstern, »… ich bin, ich war ein Adept Mâas. Sie wurde mit ihren Schwestern ins All geworfen. Doch weil sie ihren Tod geahnt hat, hinterließ sie Anweisungen. Meine Aufgabe ist es, als Bindeglied zwischen Euch und Eurer Truppe zu dienen.«
»Meiner Truppe?«
»Da Ihr zu unserer Erwählten bestimmt wurdet, haben Mâas Adepten Anweisung erhalten, Euch zu dienen. Unser Auftrag besteht darin, Euch unversehrt auf die Erde zu bringen. Wir haben erfahren, was die Vigilanten Euch angetan haben, und Ihr könnt mir glauben, dass …«
»Sprecht nie wieder darüber!«
Gil wich erschrocken zurück, als hätte Ghë ihn geschlagen.
»Sagt mir lieber«, fuhr sie in sanfterem Ton fort, »welche Pläne Ihr habt.«
»Wir warten, bis wir die Umlaufbahn der Erde erreicht haben. Vorher können wir nicht handeln, denn es könnte zum Kampf kommen, ehe wir unseren Bestimmungsort erreicht haben. Allein die Vorstellung, alle Techniker – ob Verbündete oder Feinde – könnten dabei getötet werden, ist inakzeptabel. Wir wären manövrierunfähig.«
»Vielleicht haben sich Vigilanten in Eure Organisation eingeschlichen. Auch Mâa und ihre Adepten wurden verraten.«
Gil hatte mit großer Überzeugung gesprochen, doch jetzt glaubte Ghë Zweifel in seinen Augen aufblitzen zu sehen.
»Unsere Mitstreiter verhalten sich ruhig, und wir haben ihnen jede telepathische Kommunikation untersagt.«
»Über welche Waffen verfügt Ihr?«
»Seit mehr als zwanzig Jahren versorgen uns Externe mit Metallteilen, wenn sie Reparaturen ausführen. Daraus haben wir zweischneidige Schwerter, Lanzen und Schilde gefertigt.«
»Und welche Rolle habt Ihr mir in Eurem Schlachtplan zugedacht?«
»Euer Status bleibt derselbe, Schwester Ghë. Solange Ihr für die Herrschenden und die Virnâ-Priester ein Rätsel seid, werden sie Euch nicht nach dem Leben trachten. Es genügt, wenn Ihr diese Leute weiterhin in die Irre führt … so wie Ihr es bisher meisterhaft getan habt.«
»Warum haben sie nicht auch mich über Bord geworfen?«
Gil stand vor dem Bullauge und ließ den Blick über den Asteroidengürtel schweifen. »Verzeiht mir, wenn ich das Thema noch einmal anspreche, Schwester Ghë, aber die Vigilanten haben Euch das Leben gerettet …«
Er schwieg, weil er der jungen Frau Zeit lassen wollte, das Gesagte zu erfassen.
»Die Herrschenden wollten Euch vernichten, aber die mit der Exekution beauftragten Vigilanten haben davon profitiert und Euch vergewaltigt. Währenddessen analysierten die Kryptologen den Inhalt des Kelchs mit dem Harmonischen Nektar, und sie kamen zu dem Schluss, dass Ihr diese Prüfung bestanden habt. Ein einmaliges Ereignis in der Geschichte El Guazers. Die Virnâ-Priester und die Herrschenden wurden sofort über dieses Ergebnis unterrichtet. Alle glaubten Euch bereits tot, doch Primas Kwin wollte sich bei den betreffenden Vigilanten selbst davon
überzeugen. Dabei überraschte er sie bei ihrem schändlichen Tun … Das Schicksal nimmt manchmal unbegreifliche
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