Sternenzitadelle
Verbindungsbrücken vorgekämpft. Von dort aus waren sie ins Innere des jeweiligen Raumschiffs vorgestoßen und hatten die Vigilanten, die Warner, die Techniker, die Recycler und Priester, die sich ihnen in den Weg stellten, niedergemetzelt. Auf diese Weise hatten sie die Hälfte der zweiundzwanzig Raumschiffe des Zuges erobert und ihr erstes Ziel erreicht: Sie hatten keinen Angriff von hinten mehr zu fürchten; vor allem, weil sich die meisten Passagiere ihnen angeschlossen hatten.
Die von den Warnern alarmierten Vigilanten hatten sich im Großen Saal versammelt. Sie hatten erkannt, dass ihre einzige Chance, diesen Kampf zu gewinnen, darin bestand, ihre kryptogenen Killerwaffen in einem offenen Raum einzusetzen. Also hatten sie sich auf den oberen Rängen des Saals verteilt, über den beiden seitwärts gelegenen der vier Eingangstüren. Denn die von der Erwählten angeführten feindlichen Kräfte mussten durch diese beiden Türen den Großen Saal durchqueren, wollten sie ihren Siegeszug fortsetzen und die Kontrolle über El Guazer an der Spitze des Raumfahrtzuges gewinnen.
Da die Aufständischen nur über primitive Waffen und Schilde verfügten, hatten sie den technisch hochgerüsteten Vigilanten so gut wie nichts entgegenzusetzen.
»Ihr habt uns doch versichert, dass dieses Mädchen tot sei!«, sagte die Vigilantin Nata mit schneidender Stimme.
Sie gehörte wie Kwin und Paol dem Triumvirat an. Die drei hatten sich zusammen mit den Technikern War’n und
Riq in der Kabine des Flugkapitäns von El Guazer versammelt. Das sechs Meter hohe Aussichtsfenster bot einen fantastischen Blick auf die von einem leichten Nebelschleier verhüllte Erde, die zum Greifen nahe schien.
Durch die halb offen stehende Tür konnten sie die Erwählten sehen, die Virnâ-Priester und die Techniker. Sie alle hatten sich in den Großen Saal geflüchtet. Die anderen Kasten, die Warner, Erinnerungshüter, Astronomen und Kryptologen drängten sich in den drei dahinter liegenden Raumschiffen. Doch eine große Anzahl Medizinalassistenten, Nutritionisten, Recycler und Externe hatten nicht rechtzeitig benachrichtigt werden können und waren von den Kämpfern der Einzigen Erwählten bei der Arbeit oder anderswo überrascht worden.
»Ich habe Ghë sechs Vigilanten in einer der Außenschleusen überlassen«, entgegnete Kwin, »und konnte doch nicht wissen, dass …«
»Ein guter Herrscher muss mit allem rechnen und auf alles vorbereitet sein!«, sagte Nata zornig. »Wir wussten doch, dass Mâas Anhänger einen Angriff planten. Ihr hättet diese Hure eigenhändig umbringen müssen! Sie ist die Seele des Aufstands! Ohne sie hätten die Kastenlosen sich nie zusammengerottet und ihr Handicap aufgrund mangelnder Sauerstoffversorgung kompensieren können.«
»Ich bin kein Henker!«, protestierte Kwin. »Und vergesst eins nicht, Nata. Wir hatten vereinbart, dieses Mädchen am Leben zu lassen, damit sie uns Einzelheiten über ihren Trancezustand erzählt. Außerdem haben einige unserer Leute uns verraten. Sie öffneten die Sauerstoffventile …«
Nata, die Älteste des Triumvirats, runzelte die Stirn. »Die übertriebenen Forderungen der Vigilanten müssen wir jetzt teuer bezahlen!«, rügte sie. »Ihr habt deren Machtgelüste
noch unterstützt und uns damit in eine prekäre Lage gebracht.«
»Diesem Anspruch musste ich nachgeben«, rechtfertigte sich Kwin. »Nur auf diese Weise konnten wir das Unrecht wiedergutmachen, weil wir die sechs Kämpfer töten ließen, die Ghë missbraucht haben.«
»Diese verfluchte Kastenlose hat uns alle an der Nase herumgeführt. Wir haben nichts von ihr erfahren, was wir nicht bereits wussten.«
»Ein Streitgespräch bringt uns nicht weiter«, mischte sich Paol ein, ein fülliger Fünfzigjähriger. »Ob die Vigilanten nun mit uns versöhnt sind oder nicht, jedenfalls werden sie kämpfen. Und sie verteidigen nicht nur unsere Interessen, sondern vor allem sich selbst! Wir müssen nur Ruhe bewahren und geduldig warten. Sie werden die Aufständischen wie Ungeziefer zertreten!«
Schleppenden Schritts ging Nata zu dem großen Fenster und betrachtete den Himmel. Ihr kahler Schädel war von Altersflecken übersät und ragte aus einer weißen, gerade geschnittenen Robe hervor, die bis auf den Boden reichte.
»Es ist nicht verwunderlich, dass Ihr außerstande seid, die mentalen Ströme der Kastenlosen zu empfangen, Paol«, sagte sie leise. »Die herrschenden Kasten haben sich aus eben diesem Grund zusammengeschlossen. Nur
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