Sternenzitadelle
halbe Stunde später programmierte die Kaste der Techniker auf den Befehl War’ns die K-Funktion ein – Riq hatte es nicht übers Herz bringen können, zur Zerstörung El Guazers beizutragen. Dann gingen sie an Bord der Pendelraumflugzeuge, wo ihre Familien bereits auf sie warteten.
SECHZEHNTES KAPITEL
An jenem Tag besuchte ein Captain des Pülons Tau Phraïm. Der Knabe war einen der Pfeiler hinuntergestiegen, um im eiskalten Wasser der Gijen-See ein Bad zu nehmen.
»Meine beiden Kinder sind schwer krank«, sagte der Captain. »Ich glaube an die Kraft deines Wortes und möchte, dass du sie heilst.«
»Glaubst du so fest an mich, dass du ins Meer springen würdest?«, fragte Tau Phraïm.
»Ich kann nicht schwimmen«, sagte der Captain.
»Ich hätte von einem Mann, der nicht gehen kann, verlangt zu laufen.« Der Captain dachte, dass Tau Phraïm ihn auf die Probe stellen wolle und ihn rechtzeitig vorm Ertrinken bewahren würde. Also sprang er ins Meer, und die Wellen trugen ihn weit von dem Pfeiler fort.
»Hilfe!«, rief er kurz bevor er im Wasser versank.
»Wenn du an mich glaubst, gibt es in deinem Herzen keinen Platz für die Angst«, sagte Tau Phraïm.
Also wehrte sich der Captain nicht mehr, er entledigte sich der Last seines Kummers, seiner Zweifel und seiner Ängste. Und er fühlte sich so leicht, dass er wie der Zweig einer himmlischen Strauchflechte auf den Wellen trieb.
»Geh nach Hause«, sagte Tau Phraïm. »Deine Kinder brauchen ihren Vater.«
Das tat der Captain. Als er zu seinem Haus kam, erwartete ihn seine Frau vor der Tür. Vor Freude weinend warf sie sich in seine Arme, denn ihre beiden Kinder waren wie durch ein Wunder genesen.
Die Neun Evangelien von Ephren
»Taten und Wunder des Tau Phraïm«
O niki konnte sich jetzt bewegen, wenn auch nur unter Schmerzen. Der Großinquisitor des Planeten Ephren hatte es nicht für notwendig erachtet, sie vor ihrer vollständigen Genesung zu kryogenisieren, denn nach Meinung des Scaythen habe sie noch nicht ihre den Urmenschen eigenen Kräfte wiedererlangt und könne deshalb auch nicht auf ihren Gedanken reisen.
Oniki hingegen dachte, dass diese Eigenschaft beziehungsweise Fähigkeit vielmehr auf ihren Prinzen zuträfen, der vor vier Jahren auf unerklärliche Weise aus ihrer Zelle im Kloster der Thutalinen verschwunden war.
Ihr Prinz … Würde er sie mit denselben Augen ansehen, wenn er die Narben an ihrem Körper entdeckte? Noch immer tat ihr die ganze rechte Seite, vom Gesicht bis zum Fuß sehr weh. Meistens lag sie auf der linken Seite. Doch wegen der gekrümmten Haltung litt sie häufig unter Krämpfen.
Seit man sie in dieses kleine Zimmer in dem kreuzianischen Tempel eingeschlossen hatte, war sie noch nicht aufgestanden.
Der Kardinal-Gouverneur hatte sie mehrmals besucht. Den in Purpur und Violett gekleideten Kirchenmann hatte sie sofort erkannt, auch wenn er jetzt seltsam abwesend wirkte. Das früher lebhafte Feuer in seinen Augen war erloschen. Er schien durch sie hindurchzusehen.
»Sie sind eine Thutalin, wie mir berichtet wurde«, hatte er emotionslos gesagt. »Und mir wurde mitgeteilt, dass Ihr Sohn auf unerklärliche Weise aus dem Korallenschild verschwand …Wir suchen mit allen Mitteln nach ihm … Mit allen Mitteln …«
Er war gegangen, ohne sich nach ihrem Befinden zu erkundigen oder eine Antwort abzuwarten, so als ob er nicht wisse, warum er sie besucht habe. Doch er hatte – wenn auch unbewusst – den Geist der jungen Frau vergiftet.
Als Oniki das Bewusstsein wiedererlangte, hatte eine katathyme Amnesie jede Erinnerung an Tau Phraïm in ihr ausgelöscht – ein intrapsychischer Vorgang, der ihre Heilung beschleunigen konnte, wenn sie durch diese Verdrängung nicht neuem Leid ausgesetzt wurde. Doch als der Kardinal Tau Phraïm erwähnte, sah sie ihren Sohn allein und von allen verlassen im Korallenschild. Diese Vision quälte sie derart, dass sie keinen Willen zu leben mehr hatte und in einen komaähnlichen Zustand fiel.
Weil die Ärzte sie mit keinem Medikament reanimieren konnten, wandte sich einer der Mediziner an die Heilerinnen des Ordens der Thutalinen. Obwohl Oniki eine aus dem Orden Verbannte war, weil sie das Gelübde der Keuschheit gebrochen hatte, war sie von zwei Heilerinnen behandelt worden. Die beiden flößten ihr einen Sud aus thutalischen Kräutern, Hefepilzen und getrockneten Algen ein.
»Mit diesem Gebräu müsste sie wieder Freude am Leben bekommen«, hatte eine der Schwestern
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