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Sternenzitadelle

Sternenzitadelle

Titel: Sternenzitadelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Bordage
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Männer ihn anstarrten. Doch sie hatten das Gefühl, er könne ihnen direkt ins Herz sehen – allerdings ohne ihre Persönlichkeit zu verletzen, so wie es die Scaythen taten.
    »Könnte das nicht der Junge sein, den die Pritiv-Söldner suchen?«, sagte Cal Pralett. »Der Sohn dieser Thutalin?«
    »Eine andere Erklärung ist kaum möglich«, stimmte Saül Harnen zu.
    Alle Angehörigen der Pülon-Innung hatten diese beiden Personen wegen der Scherereien, die sie der gesamten
ephrenischen Bevölkerung machten, oft verflucht. Doch jetzt, als sie vor dem Jungen standen, war ihr Groll verflogen. Auch weil dieses Kind die Besatzungstruppen so lange genarrt hatte, gebührte ihm Respekt. Denn sie selbst hatten nie gegen die Invasoren gekämpft, noch sich gegen die Feuerkreuze gewehrt. Nach und nach hatten sie sich an ihre neuen Herren gewöhnt und resigniert und in ständiger Angst gelebt. Aber diesem kleinen Jungen gelang es nun mit einem einzigen Blick, sie an ihre Tugenden zu erinnern. Sie begannen, wieder an Ehre und Freiheit zu glauben.
    »Was machen wir mit ihm, Captain?«, fragte Cal Pralett. »Vielleicht ist es am besten, wenn wir ihn den Ordnungskräften übergeben …«
    Der Vorschlag des alten Mannes verwunderte Saül Harnen. »Meinst du nicht, dass wir denen schon viel zu viel gegeben haben?«
    Die gesamte Mannschaft nickte. Im blauen Licht Xati Mus sah das Kind wie einer der Götter aus ephrenischen Legenden aus, wie es dasaß, vom Sturm umtost und dem schäumenden Meer umgeben – Vorboten tiefgreifender Veränderungen.
    »Vielleicht möchte er seine Mutter wiedersehen«, sagte Cal Pralett, wenig überzeugt.
    »Wäre das der Fall, hätte er sich von den Pritiv-Söldnern gefangen nehmen lassen.«
    »Es heißt, diese Thutalin sei in einem schlimmen Zustand. Sie hat die Hälfte ihrer Haut in dem Korallenschild eingebüßt …«
    »Noch mehr von diesem widerlichen Geschwätz, Cal, und ich lass dich mit Eisen an den Füßen ins Meer werfen!«
    Saül Harnen sprang über die Reling, landete leichtfü- ßig
auf dem Fundament des Pylons und ging vorsichtig über den glitschigen Boden zu dem Jungen. Der salzige Wind brachte seine Augen zum Tränen. Er sah stattlich aus in seinen roten Watstiefeln und der weißen Uniform, der Kleidung der Captains.
    »Guten Tag«, sagte er in dem typischen dümmlichen Tonfall, in den Erwachsene gerne verfallen, sobald sie mit Kindern reden. »Ich bin Saül Harnen, Captain des Pülons, und damit beauftragt, die Fundamente der Großen Orgeln zu befestigen. Und du bist der Sohn Oniki Kays, der Thutalin?«
    Der kleine Junge blieb stumm, aber seine Augen verrieten, dass er die Frage verstanden hatte.
    »Wir wollen dir nichts Böses … Hast du dich in diesem Pfeiler versteckt?«
    »Fragen Sie ihn lieber, ob er Hunger und Durst hat, Captain«, schrie Cal, um das Tosen des Meeres und das Heulen des Windes zu übertönen.
    Der Junge bewegte den Kopf hin und her, öffnete den Mund und züngelte. Dann stieß er einen hohen Pfeifton aus, der den Captain zutiefst erschütterte.
    »Verdammt nochmal, was soll das denn sein?«, schimpfte einer der Männer.
    »Er zischt wie … wie eine Korallenschlange«, rief ein anderer.
    Als Saül Harnen sich wieder gefasst hatte, kniete er sich vor den Jungen und zwang sich, dem Kind in die Augen zu sehen.
    »Wenn wir mit unserer Arbeit fertig sind, fahren wir in den Hafen von Koralion zurück. Dort wird deine Mutter gefangen gehalten. Wir könnten dir helfen, sie zu befreien … Was hältst du davon?«

    Der Junge lächelte schüchtern. Dann sprang er plötzlich auf, machte zwei Sätze und schnellte mit unheimlicher Leichtigkeit über die Reling des Bootes. Die Geschwindigkeit seiner Bewegungen war derart beeindruckend, dass Saül Harnen glaubte, geträumt zu haben.
    »Er bewegt sich, wie er spricht«, kommentierte Cal Pralett entsetzt. »Wie eine dieser verdammten Schlangen.«
     
    Der Körpergeruch der Matrosen war Tau Phraïm zuwider, aber da die Monstervögel alle Riesenschlangen getötet hatten, musste er bei diesen Männern bleiben, wenn er seine Mutter befreien wollte. Auch die lauten Stimmen und das Dröhnen der Motoren klangen in seinen Ohren wie eine Beleidigung der Stille.
    Er hatte immer im Korallenschild, in den Großen Orgeln, gelebt, dort, wo der Stolze Wind sie zum Klingen brachte und wo sich die Schlangen geräuschlos fortbewegten, ohne die geringste Zerstörung anzurichten. Im Gegensatz zu den Menschen respektierten die Reptilien die Natur.

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