Sternenzitadelle
Vaters als die in Gestalt eines Menschen mit leeren Händen bezeichnete? War meine Tochter geistig gesund, als sie diese fürchterlichen Worte aussprach?
»Eigentlich nicht«, antwortete sie. »Meine beiden jersalemischen Freunde, meine Tochter und ich wurden kryogenisiert, und …«
»Die vier Tiefgefrorenen des Bischofspalastes!«, rief der Missionar. »Einer meiner Kollegen hat mir davon während eines Aufenthalts in Daukar erzählt. Sie sind … Naïa Phykit?«
»Mein Name ist Aphykit Alexu. Aber ich bin auch unter diesem Namen bekannt. Nach unserer Wiederbelebung hat uns Maltus Haktar zu den Deremats in der Reparaturwerkstatt geführt. Der Muffi und er hätten sich eigentlich ein paar Minuten später rematerialisieren müssen.«
»Was hätte sie daran hindern sollen?«
»Im Palast wurde gekämpft … Vielleicht haben die Pritiv-Söldner sie daran gehindert.«
»Dann war das also nicht bloß ein Gerücht. Die imperialen
Kräfte haben den Bischofspalast gestürmt. Die Kardinäle und die Vikare wollten den Marquisatolen töten, aber wir wissen nicht, ob ihnen das gelungen ist.«
»Marquisatole?«
»Der Marquisatiner, der Paritole, der Muffi. Erst hielt ich ihn wie seinen Vorgänger für einen Schuft, aber Ihr Bericht lässt ihn in einem ganz anderen Licht erscheinen. Jetzt erst verstehe ich, warum mein Mitplanetarier Maltus Haktar ihm so ergeben war.«
Das Geschrei der Dorfbewohner wurde immer lauter. Aphykit sah Yelle an. Das Gesicht ihrer Tochter war so fahl, dass sie ihr Kind bereits tot glaubte. Schnell legte sie ihre Hand an die Halsschlagader des kleinen Mädchens. Der Herzschlag war nur noch schwach zu spüren.
»Lange hält sie nicht mehr durch«, flüsterte Aphykit verzweifelt.
Jetzt kamen auch Phoenix und San Francisco ins Krankenzimmer, Entsetzen in den Gesichtern.
»Sie haben völlig den Verstand verloren, sagt mir mein Kopf«, murmelte San Francisco empört, »und sich auf die Leichen der Interlisten gestürzt, sie in Stücke geschnitten und das Fleisch an die anderen verteilt.«
»Auch uns haben sie davon angeboten«, fügte Phoenix hinzu. »Unser Kopf riet uns, es anzunehmen, um sie nicht zu beleidigen. Aber unser Herz wehrte sich dagegen, Menschen zu essen.«
»Als Neuankömmling in dieser Mission hat mich dieser Brauch ebenfalls angewidert«, erklärte Hectus Bar schließlich nach einem bedrückenden Schweigen. »Doch langsam habe ich mich daran gewöhnt, denn es handelt sich um einen Brauch mit tieferer Bedeutung. Wenn sie das Fleisch ihrer Feinde verzehren, glauben sie, mit diesem Akt einen
Teil der Schuld und des Leids der anderen auf sich zu nehmen und sie somit davor zu bewahren, auf ewig in der Welt der Verdammten umherzuirren. Sie glauben ebenfalls, dass sie durch diesen Akt davor bewahrt werden, dieselben Fehler wie ihre Feinde zu machen. Außerdem handelt es sich hierbei auch um eine Form des Mithridatismus: Durch die Aufnahme von geringen Mengen dieses für andere Menschen tödlichen Giftes werden die Bewohner Bawalos nach und nach dagegen immun.«
»Trotzdem fragen sich mein Kopf und mein Herz, wie sich der Kreuzianismus mit derartigen Praktiken verträgt«, sagte San Francisco.
»Nun, diese differenzierte Sicht der Dinge ist Garant für mein Überleben, ja für mein körperliches und seelisches Wohlbefinden hier«, erklärte der Missionar. »Ich wäre bereits lange tot, wenn ich beispielsweise das Keuschheitsgelübde eingehalten hätte … Doch jetzt möchte ich Ihnen eine Frage stellen. Den Legenden nach können die Krieger der Stille mittels der Kraft ihrer Gedanken reisen. Warum brauchen Sie dann die Deremats der Mission?«
Aphykit antwortete an Stelle des Jersaleminers. »San Francisco und Phoenix beherrschen noch nicht die Kraft des Antra.«
»Und Sie? Es heißt doch, Sie seien eine der letzten Meister der Inddikischen Wissenschaft …«
»Nach meiner Reanimation verfügte ich noch nicht über genügend Kraft, eine derartige Reise anzutreten. Außerdem wollte ich mich nicht von meiner Tochter trennen.«
»Doch unter normalen Bedingungen können Sie auf Ihren Gedanken reisen?«
»Der augenblickliche mentale Transfer ist nicht das Ziel an sich, sondern nur ein Mittel zum Zweck.«
»Haben sich die Scaythen bei ihrem Verschwinden nicht desselben Prozederes bedient?«
»Das wissen wir nicht. Wir wissen nur wenig über die Scaythen«, antwortete Aphykit und musste sofort an Tixu denken. Vielleicht ist er gestorben, weil er versucht hat, mehr über die
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