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Sternenzitadelle

Sternenzitadelle

Titel: Sternenzitadelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Bordage
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wieder öffnet, beugt sich Tixu über sie. Er lächelt. Im gedämpften Schein der Lichtfarne hat er sich nicht verändert. Sie glaubt sogar, dass er sich verjüngt habe. Nur seine Haut hat einen leichten Grauton angenommen, wie der Rumpf eines antiken Weltraumschiffs. Als sie sich aufrichtet, die Hand ausgestreckt, um seine Wange zu streicheln, wird sein Lächeln zu einer Grimasse, und er weicht ihr aus. Sie zittert vor Kälte. Sie möchte, dass er sich auf sie legt, dass er ihren Körper mit seinem wärmt. Aber er ist wie von einer unsichtbaren Eisschicht umgeben. Seine graublauen Augen glänzen bösartig. Sekundenlang hat sie das Gefühl, ein Inquisitor-Scaythe sehe sie an.
    Das ist nicht der Tixu, den ich gekannt habe, ein Mann voller Güte und Energie, ein Mann voller Wärme, ein aufmerksamer
Liebhaber, ein fröhlicher Gefährte, ein ewiges Kind – jetzt ist er ein hohles Wesen, bar jeder Menschlichkeit.
    »Ein leeres Herz in der Gestalt eines Mannes«, hatte Yelle gesagt.
    Yelle.
    Aphykit betrachtet den Stein des Lebens. Das Skelett, der Julische Korund und die goldene Haarsträhne sind verschwunden. Dann lässt sie ihren Blick durch die Grotte wandern. Sie sieht weder die Tropikalen noch die Jersaleminer und den Missionar.
    Ich war allein mit Tixu, denkt sie. Mit dem äußeren Erscheinungsbild Tixus. Und ich habe keine Schmerzen mehr. Ich bin nur sehr müde, und mir ist etwas übel. Ich möchte schlafen.
    Noch immer hörte sie den Gesang: »So wird das Leben immer triumphieren, weil wir es preisen, und wir jubilieren …«
    Diese Worte ärgerten sie, denn sie sehnte sich nicht danach weiterzuleben. Hyponeros hatte Tixu in eine seelenlose Maschine verwandelt. Und sie erkannte, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen der Leere, die ihn umgab, und dem plötzlichen Verschwinden der Scaythen gab.
    Er war jetzt Hyponeros. Aphykit wusste, dass sich alle Scaythen aus den Welten der Menschen zurückgezogen hatten, um sich im Körper des geliebten Mannes zu vereinen. Der wahre Tixu war tot, Yelle war tot, und sie, ihr blieb nichts anderes übrig, als auf den Tod zu warten. Sie hatte niemanden mehr, für den sich zu leben lohnte.
    Sie sah Tixu ein letztes Mal an und versuchte, in seinen Augen eine Spur von Menschlichkeit zu entdecken. Er lächelte mechanisch, wie ein Roboter.

    Ich bin gescheitert, dachte sie, erhob sich und kletterte auf den Stein des Lebens. Dort streckte sie sich aus, schloss die Augen und wartete auf den Tod.
    Soll das mein Schicksal sein? Wer trifft diese Entscheidung für mich?
    Jetzt, in diesem Augenblick muss ich mich entscheiden. Schicksal, das ist nur ein Wort, wenn man dem Leben entsagen will. Ich habe mich genauso wie mein Vater, Sri Alexu, verhalten. Er wandte sich der Gartenkunst zu, um seine Frau zu vergessen. Und ich habe das Versagen der drei letzten Großmeister der Inddikischen Wissenschaft vollendet  – das Versagen Sri Alexus, der sich aus Trauer um meine Mutter verweigerte; das Versagen Sri Mitsus, der sich mit Sinnlichkeit betäubte; das Versagen des Mahdis Seqoram, der die Reinheit der Absolution nicht bewahren konnte. Ich habe mich in Tixus Liebe geflüchtet wie eine Feuerraupe in den Bauch eines Xaxas’, wie ein Parasit. Und was habe ich ihm dafür gegeben? Yelle! Unsere Tochter haben wir uns gegenseitig zum Geschenk gemacht. Glück? Ich bin nicht dafür begabt, glücklich zu sein.
    Hectus Bars Worte haben mich so sehr verletzt, weil sie wahr sind, weil dieser Mann eine entsetzliche Wahrheit ausgesprochen hat. Tixu war gegangen, weil ich ihn nicht mehr begehrt habe. Natürlich hatte er die Wahl, aber hätte ich ihn aufrichtig geliebt, er wäre einen anderen Weg gegangen. Ich habe nur mich in ihm geliebt. Und als er nicht mehr da war und mir als Spiegel dienen konnte, wählte er den Tod.
    »Die Lust oder das Verlangen ist ein Gefühl, das nur einen selbst betrifft«, hat der Missionar gesagt. Kann ich mich selbst lieben? So, wie ich bin? Habe ich den aufrichtigen Wunsch, zu diesem strahlenden Stern zu werden,
dessen Leuchten die Welt mit Energie erfüllt und Yelle Zärtlichkeit schenkt?
    Ein leises Vibrieren hallte in ihrer inneren Stille wider. Der Klang des Lebens, das Antra kehrte zurück, verband sie wieder mit der Schöpfung. Und wieder war sie ein Funke unter Funken, ein Stern unter Sternen.
    Aphykit öffnete die Augen. Tixu stand vor dem Stein und starrte sie an, so als warte er auf ihre Entscheidung.
    Ich werde ihn küssen und ihn mit diesem Kuss wieder

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