Sternenzitadelle
Bewohner von Hyponeros zu erfahren?, überlegte sie, und eine tiefe Verzweiflung überkam sie.
»Ein Transfer allein mittels mentaler Kraft ist für einen rein rational ausgerichteten Geist unvorstellbar«, sagte der Missionar. »Kirche und Wissenschaft haben diese Hypothese vehement bekämpft, denn sie stellt jegliche Form mentaler Kontrolle infrage und damit alle Spielregeln auf den Kopf. Wahrscheinlich halten Sie mich für verrückt, aber für viele Untertanen sind Sie und Ihre Anhänger ebenfalls Verrückte, die unbegreiflichen Gesetzen gehorchen …«
»Gocks!«, rief San Francisco. Als Hectus Bar ihn verblüfft anstarrte, fügte er hinzu: »So nannte mein Volk Menschenrassen anderer Planeten. Mein Kopf sagt mir nun, dass man diese Bezeichnung mit ›Verrückte‹ übersetzen könnte …«
Er spürte die Gegenwart Dritter in seinem Rücken und drehte sich um.
Die vier Ältesten, zwei Frauen und zwei Männer, waren gekommen. Alle hatten weißes, langes Haar und faltige Gesichter, doch zum Erstaunen der Reisenden waren die Brüste der Frauen wohlgeformt und fest wie die junger Mädchen. Mit Beginn der Pubertät rieben sie sie mit einer aus Pflanzen gewonnenen Salbe ein, die sie straff und fest bleiben ließ. Die Männer ließen dieselbe Behandlung ihrem Penis angedeihen – eine Praxis, der Hectus Bar ausgiebig frönte –, und auf diese Weise konnten sie aktiv bis ins hohe Alter an den Fruchtbarkeitszeremonien teilnehmen.
Der Missionar verneigte sich, trat zu den Ältesten und beriet sich mit ihnen. Während des Gesprächs wanderten ihre Blicke oft zu Aphykit und Yelle, freundliche, etwas furchtsame Blicke, jedoch voller Bewunderung und Respekt.
»Die Ältesten wollen Ihre Tochter behandeln«, sagte Hectus Bar schließlich und lächelte. »Sie bereiten gerade eine Zeremonie zur Lobpreisung des Lebens vor. Aber sie sagen, dass sie nur die Kraft der Pflanzen anwenden können und dass eine Genesung von der Kranken und Ihnen abhängt. Denn Sie, Ihre Tochter und Ihre beiden Freunde seien hohïm alebohï, Wesen aus Licht geboren, und deshalb allein für ihr Schicksal verantwortlich. Die Ältesten werden die Instrumente sein, Sie jedoch die Musiker. Ich als Beobachter möchte noch hinzufügen: Diese Zeremonie ist nicht harmlos, wenn Ihr Lebenswille nicht stark genug ist, werden Sie an den Pflanzen zugrunde gehen.«
Aphykit richtete sich auf, sah die vier Ältesten eindringlich an und deutete auf Yelle.
»Für sie muss ich leben«, sagte sie langsam.
»Die Tropikalen würden Ihnen antworten, dass die Pflicht nicht mit dem Verlangen gleichzusetzen ist. Und das Verlangen ist ein Gefühl, das nur einen selbst betrifft.«
»Das Gefühl des Verlangens kenne ich nicht mehr; mein geliebter Mann hat mich für immer verlassen …«
»Vielleicht hat er Sie verlassen, weil Sie kein Verlangen mehr nach ihm hatten …«
Aphykits Augen verloren plötzlich jeden Glanz. Die Worte des Missionars hatten sie zutiefst verletzt, obwohl sie sich bemühte, Haltung zu bewahren. Verlangen hatte sie nie gekannt. Sie war immer eine neutrale Beobachterin ihres eigenen Lebens gewesen, sogar während der Zeit, die
sie mit Tixu gemeinsam auf Terra Mater verbracht hatte. Sie hätte ihn nicht gehen lassen, außer sie hätte ihn so sehr geliebt, dass sie gemeinsam dem Blouf gegenübergetreten wären. Tixu hatte sie aus den Fängen der Sklavenhändler auf Roter-Punkt befreit, sie von einer schrecklichen Krankheit geheilt. Doch sie hatte sich von den imperialen Streitkräften gefangen nehmen lassen und war drei Jahre in einem Tiefschlaf dahingedämmert. Sie war ein toter Stern, ohne Leuchtkraft, unfähig, Licht auszustrahlen oder Energie zu verbreiten.
Meine Tochter wird sterben, dachte Aphykit, weil ich ihr kein Verlangen, keine Lebenslust geschenkt habe. Seit Tixus Fortgehen konnte allein Jek At-Skin Yelles Herz erwärmen.
Diese schreckliche Erkenntnis ließ sie schwanken. Doch sie richtete sich stolz auf und sagte mit fester Stimme: »Ich bin bereit.«
Große Leuchtfarne erhellten die Tropfsteinhöhle mit ihren von der Decke herabhängenden spitzen Stalakiten und den ihnen entgegenwachsenden bauchigen Stalagmiten. Wo sie aufeinandertrafen, bildeten sie Säulen. Das Ganze bot einen bizarren Anblick, der durch das Gurgeln des unterirdisch dahinfließenden Gewässers noch verstärkt wurde.
Die Bawaloaner hatten sich in der Mitte um einen erhöhten Stein – den Stein des Lebens in Form einer Vulva – versammelt, auf dem Yelle
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