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Sternenzitadelle

Sternenzitadelle

Titel: Sternenzitadelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Bordage
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außen gesehen. Der Anblick dieser gigantischen Massen aus Eisen hatte sie zutiefst enttäuscht, weil die plumpe Form des gesamten Gebildes so gar nicht der Eleganz entsprach, mit der sie sich El Guazer in ihrer Fantasie ausgemalt hatte. Doch als sie einmal ihre Enttäuschung und auch ihre Angst vor dem All überwunden hatte, hatte sie die Freiheit und die Leichtigkeit während ihrer Arbeitseinsätze derart genossen, dass sie einen Antrag zur Aufnahme in die Kaste gestellt hatte. Die Antwort stand noch aus – es war schwer für einen Kastenlosen, eine höhere gesellschaftliche Stellung zu erlangen –, doch die Bekanntgabe, dass die Rückkehr zur Erde unmittelbar bevorstehe, hatte ihren Antrag bedeutungslos werden lassen.
    Absolutes Schweigen herrschte nun im Großen Saal, in dem jetzt alle Passagiere, außer Mütter mit ihren Kleinkindern, versammelt waren.
    Die in einer Linie auf der Bühne stehenden Zeremonienmeister stimmten die Exilhymne an, und alle sangen mit. Noch nie hatte Ghë ein solches Zusammengehörigkeitsgefühl unter ihren Brüdern und Schwestern verspürt. Sie fühlte sich durch diesen zehntausend SALG-Jahre alten
Gesang erhoben, an den sie alle sich während der bitteren Zeiten des Exils geklammert hatten.
    »Wir kehren zurück, frei und gesund, so wie ein Kind zu seiner Mutter zurückkehrt …«
    Ghë war so gerührt, dass sie weinte. Das war normalerweise verboten, aber heute hatte sie weder den Willen noch die Kraft, ihre Emotionen zurückzuhalten.
    »Dies ist unser Schicksal, Dank gebührt unserem Schutzherrn El Guazer … Gesegnet sei sein Name in alle Ewigkeit …«
    Als die Hymne ausklang, spürte Ghë, dass die Warner, die im Großen Saal verteilt saßen, neue Anweisungen erteilen würden. Sie glaubte, eine Art Flüstern in ihrem Kopf zu hören. Da die Warner über ein höheres telepathisches Potenzial als andere Menschen verfügten, pflegten sie ihre Botschaften unangenehmerweise immer dann auszusenden, wenn sie gerade Lust dazu hatten, ohne sich um die Empfangsbereitschaft der Angesprochenen zu kümmern. Das ging so weit, dass sie auf widerwärtige Art sogar Liebende während ihrer seltenen Augenblicke der Intimität störten.
    »Ansprache des Primas Kwin in einigen SALG-Minuten. Ansprache des Primas Kwin in einigen Minuten …«
    Ghë hatte sich immer über die Zeitmessung nach SALG – nach der Geschwindigkeit des Raumschiffs berechnet – geärgert. Das Prinzip dieser Berechnung war ihr klar: die relative Zeit, berechnet jenseits der Lichtgeschwindigkeit. Doch sie war außerstande, diese Zeit in die Erdzeit – genannt LALG (langsamer als Lichtgeschwindigkeit) – umzurechnen. Einer ihrer Kabinennachbarn, Jadl, hatte ihr erklärt, dass die SALG-Zeit ungefähr einem Achtundachtzigstel der Erdzeit entspreche und dass demzufolge
die zehntausend Jahre dauernde Irrfahrt von El Guazer in Wirklichkeit nur ein Jahrhundert, dreizehn Jahre und sechs Tage gedauert habe.
    »Hätte einer der Passagiere unseren Raumzug im Alter von sieben Jahren betreten und wäre dort einhundertzwanzig SALG-Jahre alt geworden, und hätte er dann die Erde wieder betreten, hätte er sie wahrscheinlich nicht wiedererkannt, weil seit seinem Weggang dort zehntausend Jahre vergangen sind.«
    »Und worauf beruhen diese Berechnungen?«
    »Auf genauen Beobachtungen«, hatte Jadl mit glänzenden Augen geantwortet. Wobei sein Blick nicht Enthusiasmus für die Wissenschaft verriet, sondern auf ihren Busen gerichtet war, wie Ghë sehr wohl bemerkte. »Die Techniker vergleichen die auf Erdzeit eingestellte Uhr mit der biologischen Uhr oder genauer gesagt, mit dem Altern einiger Passagiere, die als Probanden dienen …«
    Ghë hatte begriffen, dass die Geschwindigkeit von El Guazer sie in eine ander Dimension brachte, in eine andere Raum-Zeit. Mehr hatte sie nicht wissen wollen. Denn Zeit war für sie war ein rein subjektives Empfinden. Vergleiche zwischen den beiden Systemen anzustellen, fand sie unnötig.
    Die kraftvolle Stimme Kwins riss sie aus ihren Überlegungen.
    »Brüder und Schwestern des Umherirrens, o ihr, deren Vorfahren zum zehntausendjährigen Exil verurteilt wurdet, o ihr, die ihr gegen das feindliche Schweigen des Alls angekämpft habt, o ihr, deren einziger Himmel eine Decke aus Metall in einem Raumschiff war, jetzt ist der Augenblick gekommen, die Früchte eurer Geduld zu ernten. Jetzt ist der Augenblick gekommen, eure Füße wieder auf den
Boden der Erde zu setzen! Gelobt sei El Guazer, unser

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