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Sternenzitadelle

Sternenzitadelle

Titel: Sternenzitadelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Bordage
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brutal war, Schwester Ghë«, sagte der Priester und ließ ihr Handgelenk los. »Aber alles musste schnell gehen. Hier sind wir in Sicherheit, denn die Schiffsmotore stören den mentalen Empfang.«
    »Woher kennst du mich? Und was willst du von mir?«
    »Andere werden deine Fragen beantworten.«
    »Welche anderen?«
    Er überquerte jetzt einen kleinen Platz und blieb vor einer
Schleusentür stehen. Nachdem er den Code eingegeben hatte, öffnete sich quietschend die runde Tür.
    »Stoß dir nicht den Kopf, Schwester Ghë.«
    Sie krochen in ein leicht abschüssiges Rohr, in dem es nach frischer Luft roch. Die Tür schloss sich wieder, abermals quietschend.
    »Eine Ventilationsröhre«, erklärte der Priester.
    Die beiden krochen mühsam etwa hundert Meter weiter, bis sie einen riesengroßen Raum erreichten, dessen Wände und Decke Ghë nicht erkennen konnte. Doch sie sah schlanke Säulen, in einem Abstand von etwa fünfzig Metern, und dazwischen schattenhafte Gestalten, die wie Geister aussahen.
    »Komm, Schwester Ghë …«
    Trotz ihrer Verblüffung hatte Ghë das Gefühl, dass diese Menschen sie erwartet hatten. Das ist doch absurd, dachte sie und verdrängte den Gedanken sofort. Doch es herrschte eine seltsame Stimmung in dem Raum, eine Mischung aus Geheimhaltung und Verschwörung, die sie noch nervöser machte.
    Der Virnâ-Priester geleitete sie in die Mitte des Raums, der wohl früher als Laderaum gedient haben musste. Die Menschen wichen vor ihnen zurück, und Ghë glaubte, so etwas wie Verehrung in ihren Blicken zu lesen.
    In der Nähe eines sechseckigen Pfeilers standen etwa zwanzig Personen um einen auf dem Boden gezeichneten Kreis. Es roch nach heißem Wachs und Weihrauch. Ghë sah sofort, dass es sich um den heiligen Virnâ-Kreis der Initiation handelte, in dem Kerzen und Räucherstäbchen brannten.
    Am Fuße des Pfeilers kauerten drei Priester, die wie der Führer der jungen Frau kurze Hosen und eine Tunika trugen.
Sie bereiteten den Nektar der Harmonie zu – einen durch Gärung hergestellten Trank aus Kryptogamen wie Algen und Pilzen. Allein die Priester kannten die Dosierung der teilweise giftigen oder halluzinogenen Pflanzen und wussten, wie sie eine harmonische Vision erzeugen konnten, die nicht in den Wahnsinn oder gar Tod führte.
    Einige Leute – unter ihnen auch Ghës Vater – glaubten, dass diese Pflanzen von El Guazer an Bord gebracht worden waren, um den Exilanten ihr schweres Los zu erleichtern. Andere – darunter Ghës Mutter – waren der Meinung, dass sie im Lauf ihrer langen Reise einfach zum Nutzen der Menschen an Bord gewachsen seien. Eine dritte Hypothese, ein Kompromiss, lautete: Zwar habe El Guazer die Kryptogamen an Bord gebracht, aber erst im All hätten sie ihre Wirkung entfaltet und somit sakrale Bedeutung erlangt.
    Die Kaste der Krypotologen kultivierte mehr als hundert verschiedene Arten in speziell dafür abgedichteten Räumen. Doch der Gebrauch war allein den Priestern vorbehalten.
    Eine feierliche, nur vom leisen Brummen der Motoren begleitete Stille erfüllte den Raum. Der Priester führte Ghë zu einer alten Frau, die von mehreren Schwestern unterschiedlichen Alters umgeben war. Sie saß im Schneidersitz auf einer mit einem weißen Tuch bedeckten Bank. Die Augen in ihrem zerfurchten Gesicht waren halb geschlossen, doch sie leuchteten wie Glut. Ihr kunstvoll um den Körper gewickeltes Gewand enthüllte eine knochige Schulter, während der Schein der Kerzen, die ihre Helferinnen in den Händen hielten, bizarre Muster auf den Boden malte.
    »Ich bringe Euch die junge Ghë«, sagte der Priester und verneigte sich.

    Die alte Frau nickte und betrachtete die junge Schwester. Ghë hatte das Gefühl, dieser Blick dringe bis ins Innerste ihrer Seele.
    Sie begann zu schwanken und musste sich auf den Arm des Priesters stützen, sonst wäre sie gefallen. Außerdem war ihr, als würden sich ihre Poren öffnen und aus ihnen aller Hass und die Zerstörungswut, die sie in der letzten Zeit empfunden hatte, strömen. Da überfiel sie, wie im Großen Saal, ein unerklärliches Entsetzen.
    »Was wollt Ihr von mir?«, rief sie, und ihre vor Zorn bebende Stimme glich einem verängstigten Vogel.
    »Dein Zorn ist verständlich, kleine Ghë«, sagte die Alte mit einem Lächeln. »Aber lass dich nicht von seinem Feuer verzehren. Bald schon wirst du uns danken, dass wir große Vorsichtsmaßnahmen getroffen haben, um dein Kommen zu ermöglichen.«
    Ihre kraftvolle, jugendliche Stimme bildete

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