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Sternenzitadelle

Sternenzitadelle

Titel: Sternenzitadelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Bordage
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eine freiwillig getroffene Entscheidung ist von Wert. Solltest du akzeptieren, wird dir das Virnâ der Kryptogame helfen, deine elf Mitstreiter zu erkennen und dich zu ihnen zu gesellen …«
    Trotz ihrer quälenden Fragen und Bedenken nickte Ghë
langsam, aber bestimmt, so als wäre ihr die Entscheidung von Anfang an klar gewesen.
     
    Unsicheren Schritts geleitete Mâa Ghë in die Mitte des Heiligen Kreises und reichte ihr den Kelch mit dem Nektar der Harmonie. Früher hatte diese Zeremonie die junge Frau fast immer in einen glückseligen Zustand versetzt, in dem sie ihre Sorgen und die manchmal deprimierende Einsamkeit in ihrer Kabine vergaß.
    Doch jetzt hatten die Kryptogame eine ganz andere Wirkung auf sie. Kaum hatte sie von dem bitteren Gebräu getrunken, hatte sie ein Gefühl, als würde sie förmlich auseinanderfallen. Ihre Zellen wurden zu Abermilliarden leuchtender Punkte durch unüberwindbare Abgründe getrennter Sterne, die mit den Abermilliarden Sternen von Mâa, den Virnâ-Priestern, den Adepten des Kreises, ihres Vaters, ihrer Mutter und allen Anwesenden kommunizierten …Sie sah, fühlte und hörte durch sie, teilte ihre Emotionen, dachte ihre Gedanken und spürte mit ungeheurer Intensität die beängstigende Stille des Nichts.
    Sie war nicht mehr Ghë, sondern eine multiple Entität, ein omnipräsentes Prinzip, eine Energie, die jegliche Form miteinander verband. Leichter und subtiler als der Äther, die wolkenlose Weite des Alls, breitete sie sich aus und umschloss den Zug der Weltraumschiffe, die Gestirne und die galaktischen Nebel. Und mit ihr breitete sich eine ungeheure Freude und Liebe im interstellaren Raum aus, ein Gefühl trunkener Freiheit …
    In der Ferne sah Ghë Lichtstrahlen. Sie schienen von unsichtbaren Sternen auszugehen und strebten auf eine Art hell leuchtendes Schiff zu, das von Säulen umgeben war, doch im Leeren zu schweben schien – einer entsetzlichen
Leere. Einige Säulen erstrahlten in blendendem Glanz, andere wirkten blass oder wie fast erloschen.
    Ghë sah Bilder, wurde von Emotionen geschüttelt. Zwei Frauen, ein kleines Mädchen und ein Mann, gefangen in einem künstlichen Schlaf … Ein Mann, der sich in seinem Palast aus Stein verschanzt hatte … Ein Mann und ein Junge, die von Wesen verfolgt wurden, deren telepathische Fähigkeiten denen der Menschen in El Guaze r überlegen waren … Ein Mann, ein Gefangener seiner Zweifel und der Selbstverachtung … Und schließlich ein körperloser Mann, dessen Denken immer inkohärenter wurde …
    Ihre elf Gefährten.
    Sie alle wurden von den Kreaturen des Nichts gejagt, die das Lichtschiff belagerten. So wie Mâa und ihre Getreuen von den Herrschenden, den Virnâ-Priestern und den Vigilanten gehetzt wurden.
    Plötzlich löste sich das Bild auf. Alles verschwand, als hätte ein unsichtbarer Mund es fortgeblasen.
     
    Durchdringendes Geschrei und dumpfes Getöse rissen Ghë aus ihrem tranceartigen Zustand. Sie lag auf dem Boden und sah durch ihre halb geschlossenen Lider, dass um sie herum Aufruhr herrschte. Vigilanten – erkennbar an ihren schwarzen Uniformen – prügelten auf Männer und Frauen ein. Sie erkannte auch die Herrschenden an ihren Mänteln aus Moiré und ihren mit Eisen beschlagenen Stiefeln. Ihr kam der absurde Gedanke, dass die Kastenlosen nur Stoffschuhe tragen durften.
    Dicht über ihren Kopf flog sirrend ein Paralyser – eine runde Metallscheibe mit einem Durchmesser von dreißig Zentimetern. Sie wollte aufstehen, doch Erschöpfung und ein Migräneanfall hinderten sie daran.

    Mit einem Klick öffnete sich eine Klappe am Rand des Paralysers, und die Nadel einer Injektionsspritze glitt aus dem winzigen Spalt.
    Das bleiche und verzerrte Gesicht eines der Herrschenden tauchte vor Ghës Gesichtsfeld auf.
    »Da ist sie ja, die Erwählte unserer Hexen! Wirklich, ein hübsches Mädchen! Leider hast du Pech gehabt, Kleine. Wir haben bereits genug Erwählte.«
    Ghë sah zu Mâa. Die alte Frau kauerte mit zerfetztem Gewand am Fuß des sechseckigen Pfeilers. Zwei Vigilanten traktierten sie mit Tritten.
    Die Injektionsnadel näherte sich Ghës Hals. Sie hatte noch Zeit, daran zu denken, dass die Köpfe aller Menschen, die sie in ihrer Krypto-Vision gesehen hatte, mit dichtem Haar bedeckt waren.

SIEBTES KAPITEL
    Glaube an das Tier, und du wirst zum Tier.
Glaube an den Menschen, und du wirst zum Menschen.
Glaube an den Himmel, und du wirst zum Gott.
    Die Neun Evangelien von

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