Sternenzitadelle
war, konnte man sie lokalisieren, ihr folgen und sie physischem sowie psychischem Druck aussetzen. Unter diesem Gesichtspunkt war die Kryogenisierung die ideale Lösung: Im tiefgefrorenen Stadium reagierte das Gehirn nicht anders, als wäre es einem Auslöschungsprozess unterzogen worden. Selbst durch das Antra geschützt, versank der Geist in ein tiefes Koma, war sich seiner selbst nicht mehr bewusst und konnte somit auch nicht schöpferisch tätig werden.
Diesen vier Menschen musste die ehemalige Thutalin Oniki Kay hinzugezählt werden, die kürzlich auf Ephren gefangen genommen worden war. Der Großinquisitor Xaphox hatte dem Seneschall versichert, sie werde ihren Sturz von dem Korallenschild überleben. Sobald sie sich erholt habe, werde man sie ebenfalls kryogenisieren und wie die anderen als Köder benutzen. Nach ihrem Sohn, der auf mysteriöse Weise verschwunden war – obwohl erst drei Jahre alt, schien er über angeborene inddikische Kräfte zu verfügen –, werde überall gesucht.
Jetzt mussten nur noch der Mahdi Shari von den Hymlyas und sein junger utgenischer Gefährte ausgeschaltet werden, da die beiden, nach Jeks Worten bei seinem Besuch bei seinen Eltern zu schließen, vorhatten, dass sie die vier in Venicia befreien wollten. Dieses Vorhaben hatte der Seneschall unterstützt, indem er den beiden gezielt Informationen über den jeweiligen Aufbewahrungsort der Kryo-Codes hatte zukommen lassen – ein Täuschungsmanöver, denn die Codes waren falsch. Die richtigen Codes
trug er immer bei sich. Völlig irrational, aber reflexartig glitt seine am höchsten entwickelte Extremität – er weigerte sich, sie als Hand zu bezeichnen – in die Tasche seines Kapuzenmantels und betastete die vier kleinen Kugeln mit den veränderten DNAs der Kryogenisierten.
Dieses Zellmaterial, das den Körpern, drei Stunden nachdem sie in den komatösen Tiefschlaf versetzt worden waren, entnommen worden war, musste unbedingt der chemischen Lösung, die den Prozess des Auftauens in Gang setzen würde, hinzugefügt werden, sonst würden die Betroffenen sterben.
Das GROSSE PROJEKT näherte sich seinem Ziel. Wie vorgesehen, beraubten die Gedankenauslöscher die Menschheit ihres Erinnerungsvermögens. Bald würde die In-Creatur die Früchte seiner stetigen Zerstörungsarbeit ernten. Dieses Ziel überstieg logischerweise Harkots Begriffsvermögen, denn als Nicht-Mensch besaß er nur Verstand, wenn er mit Menschen konfrontiert war. Und die Scaythen hatten keinen Zugang zu jenen Regionen, in denen die eigentlichen Kriege stattfanden. Sie waren nichts mehr als aus Materie hergestellte künstliche Konstrukte, aber sie besaßen ein entsetzliches Zerstörungspotenzial.
Ein Diener in rot-weißer Livree betrat das Zimmer und näherte sich Harkot. Automatisch durchforschte der Seneschall das Gehirn des Mannes und stellte fest, dass der Bedienstete bereits viele Auslöschungen hinter sich hatte. Er besaß weder eine Vergangenheit noch hatte er Wünsche, außer dem einen: ein effizienter und fügsamer Diener zu sein.
In seinem Kopf herrschte bereits nichts als eine öde Leere.
»Der Imperator wünscht Euch zu sehen, Exzellenz«, sagte er und verneigte sich.
Harkot fragte sich, was hinter dieser Aufforderung, beim Imperator zu erscheinen, stecke, er konnte aber keine zusätzlichen Informationen im Kopf des Dieners entdecken.
Was will Menati Ang zu dieser späten Stunde der Zweiten Nacht von mir?, fragte er sich. Leidet er etwa unter einem Anfall plötzlicher Hellsichtigkeit, diesem untrüglichen Zeichen, dass die totale Umnachtung unmittelbar bevorsteht. Vor drei Jahren bereits hat der Herrscher die Staatsgeschäfte in meine Hände gelegt und sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Sein einziger Lebenszweck besteht nur noch in der Befriedigung seiner Sinne. Denn unsere Auslöschungsprogramme reduzieren die Menschen auf ihre Funktionen; die Soldaten greifen zu den Waffen, die Kreuzler klammern sich an ihre Dogmen, die Höflinge pflegen ihre Eitelkeiten, und der Imperator interessiert sich nur noch für Sex.
»Woher haben Sie diese Information?«, fragte der Scaythe mit seiner metallisch klingenden Stimme, die in der Stille der Nacht noch unangenehmer klang.
»Ein Anruf, den ich auf Eurem persönlichen Jonaphon entgegengenommen habe, Exzellenz.«
»War der Imperator am Apparat?«
»Nein. Er hat einen Zeremonienmeister beauftragt, Exzellenz.«
»Kennen Sie diesen Zeremonienmeister persönlich?«
»Nein. Aber er zeigte mir
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