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Sternhagelgluecklich

Sternhagelgluecklich

Titel: Sternhagelgluecklich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Koch
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verschwinden, als die kleine Tochter unserer Nachbarin uns vom Balkon aus zuwinkt. »Huuhuu!«, ruft sie. »Darf ich auch mal in euren Garten?«
    »Klar«, rufen wir zurück. »Aber bring eine Gießkanne mit!«
    Seit wir unseren geheimen Garten haben und pflegen, kennen wir plötzlich fast alle unsere Nachbarn. Vorher ging man, wie in den meisten Großstadt-Mietshäusern, nickend und knapp grüßend aneinander vorbei. Von den meisten Nachbarn wusste ich weder den Namen, noch in welchem Stockwerk sie wohnen. Doch plötzlich winkten die einen vom Balkon, von anderen wurden wir im Treppenhaus angesprochen, wenn wir mit Gieskanne und Wassereimer bewaffnet nach unten gingen.
    Ich erinnere mich, dass Katherine Alaimo, die Forscherin von der Michigan State University, genau dies als Argument für »Urban Gardening« und »Urban Farming« anführte, als ich sie auf meiner Detroit-Reise besuchte: »Wenn in einer Straße ein Garten angelegt wird«, sagte sie, »kommen die Menschen miteinander ins Gespräch. Sie lernen ihre Nachbarn kennen und haben plötzlich weniger Angst. Ihre Lebensqualität steigt. Sie können sich auch über andere Themen austauschen und merken, dass sie nicht alleine sind.«
    Die Plagerei hat also tatsächlich ihr Gutes, denke ich mir und wische mir mit von Erde schwarzer Hand den Schweiß von der Stirn. Durch den Garten habe ich die Menschen besser kennengelernt, die nur wenige Meter von mir entfernt leben. Ich habe etwas über mich selbst gelernt: Zum Beispiel dass es mehr Spaß macht, literweise Wasser durch die Gegend zu tragen, als ich es je für möglich gehalten hätte. Und ich habe gelernt, Nutzpflanzen von Unkraut zu unterscheiden. Das ist doch schon mal was.
    Ich stoße auch noch auf eine andere Erklärung, warum der Geheimgarten derart zu meinem Glück beiträgt. Der Biologe und Naturforscher Edward Osborne Wilson nennt dieses Gefühl »Biophilie«. Er schreibt von einer »angeborenen emotionalen Verbindung« zwischen uns Menschen und der Natur, die evolutionär tief in uns verwurzelt sei.
    In meinen Ohren klingt das Wort »Biophilie« immer ein wenig schmutzig, so als würden schwitzende, bleiche Männer sich heimlich an Pflanzen reiben oder als träfen sich Swingerclubs im Wald, um Sex auf Moospolstern zu haben. Aber vielleicht sagt das auch mehr über meine Fantasie aus als über E. O. Wilsons Theorie, die übrigens auch einer wissenschaftlichen Überprüfung standhält. So untersuchte zum Beispiel der Psychologe Roger Ulrich, wie sich unterschiedliche Patienten eines Krankenhauses in Pennsylvania von einer Gallenblasenoperation erholten. Diejenigen, die von ihrem Zimmer einen Ausblick auf eine Reihe von Laubbäumen hatten, erholten sich signifikant schneller und benötigten weniger Schmerzmittel als die Patienten, die nach einem identischen Eingriff auf eine Ziegelsteinmauer blickten.
    Das Glück in die Hand nehmen
    Vielleicht ist es neben der Nähe zur Natur und unserer angeborenen Begeisterung für Tiere und Pflanzen aber auch die körperliche Gartenarbeit mit meinen sonst eher unterforderten Händen, die mich so überraschend froh werden lässt.
    Die Psychologieprofessorin Kelly Lambert, die sich seit fünfundzwanzig Jahren mit Verhaltensforschung, geistiger Gesundheit und Neurowissenschaft beschäftigt, hat sich in ihrem Buch »Lifting Depression« der Frage gewidmet, wie wir mit Handarbeit Depressionen vermeiden und nicht nur unsere Laune, sondern unser ganzes Leben verbessern können. Ihre These: Je weniger Arbeit wir uns von Maschinen abnehmen lassen und je mehr wir mit unseren eigenen Händen tun, umso glücklicher sind wir.
    Ich erinnere mich an die Phase in meinem Leben, in der ich noch keine Spülmaschine besaß und jeden Teller und jede Tasse mit der Hand abwaschen musste. Ich war zu dieser Zeit bestimmt vieles – unter anderem sparsamer mit Geschirr und sauberer unter den Fingernägeln –, aber nicht glücklicher. Ich beschließe also, Kelly Lambert anzurufen und mit ihr über ihre These zu sprechen.
    »Wenn man die Anatomie unseres Gehirns betrachtet, wird dort unseren Bewegungen eine Menge ›Platz‹ gewidmet«, erklärt mir die freundliche Forscherin mit einem leichten Südstaatenakzent. »Vor allem die Steuerung unserer Hände nimmt sehr viel Raum ein. Der Bereich der Hirnrinde, der unsere Daumen steuert, ist beispielsweise größer als der für unseren gesamten Rücken. Die Bereiche, die für motorische Fähigkeiten zuständig sind, sind außerdem verknüpft mit denen

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