Sternhagelgluecklich
Medikaments.
Zunächst finde ich diesen Gedanken extrem deprimierend: Geht es am Ende im Leben wirklich nur darum, möglichst lange weiterzurackern? Nicht aufzugeben, auch wenn es im Grunde sowieso egal ist – weil wir alle in einem großen Wasserbottich sitzen, aus dem herauszuklettern uns unmöglich ist? Aber am Ende stimmt es zumindest im Kern: Das Leben ist ein ewiges Ankämpfen gegen Widerstände, ein Aushalten von Rückschlägen und ein Sich-nicht-unterkriegen-Lassen. Niemand ist gegen Schicksalsschläge gefeit, und selbst die, die davon verschont bleiben und sich niemals unglücklich verlieben, keine Todesfälle bedauern müssen und niemals ihren Job verlieren, werden trotzdem den Zustand des perfekten, hundertprozentigen Glücks nicht erreichen. Denn dazu sind unsere Ziele meist zu widersprüchlich. Oft schließen sie sich gegenseitig aus: Wer viel Zeit mit der Familie verbringen will, wird es schwer haben, viel Geld zu verdienen. Wer viele unterschiedliche Sexualpartner haben will, muss auf Treue und Geborgenheit verzichten. Wer Erfolg haben will, muss in Sachen Bequemlichkeit und Müßiggang zurückstecken. Wer auf dem Land leben will, kann nicht die Annehmlichkeiten der Großstadt genießen. Das ist alles überhaupt nicht schlimm – und vielleicht sogar das etwas angenehmere Bild: Statt Ratten, die ein Leben lang aus Wasserbottichen klettern wollen, sind wir eher jonglierende Hamster, die auf einem Brett balancieren und dabei versuchen, möglichst viele Bälle gleichzeitig in der Luft zu halten. Es klappt nicht immer perfekt. Aber es gar nicht erst zu versuchen, wäre erst recht keine Lösung.
Einmal Ehepaar mit Beilagenwechsel
Jessica und ich sind inzwischen über ein halbes Jahr verheiratet. Vielleicht klingt es vermessen, aber ich glaube, die meiste Zeit bin ich als Ehemann einigermaßen in Ordnung. Okay, ich lese zu lange auf dem Klo, ich spiele auch an einem Sonnentag manchmal lieber »Killzone 3«, als spazieren zu gehen, und ich lasse mich zwar überreden, Obst und Salat zu essen – nicht jedoch, das ganze Zeug auch noch zu waschen. Im Großen und Ganzen aber, so glaube ich, mache ich meine Frau tendenziell eher glücklich als unglücklich und gehe ihr nur manchmal auf die Nerven. Außer mit einer Sache. Denn womit ich sie zur Weißglut bringen kann, ist meine zwanghafte Angewohnheit, dass wir im Restaurant nie das Gleiche bestellen dürfen. Oft läuft es so ab:
EHEFRAU : »Was nimmst’n du?«
EHEMANN : »Ich glaub, das Hirschgulasch mit Spätzle …«
EHEFRAU : »Das hab ich auch schon gesehen. Klingt toll, das bestelle ich auch.«
EHEMANN : »Super, dann nimm du das – dann esse ich das Lammcarré mit den Rosmarinkartoffeln.«
EHEFRAU : »Das ist doch doof! Du sollst doch das essen, was du essen willst.«
EHEMANN : »Aber ich finde beides toll. Und wenn ich was anderes bestelle als du, dann können wir ein Stück tauschen, und ich kann beides probieren.«
EHEFRAU sagt: »Ah, verstehe …« – denkt aber in Wahrheit: »#*%§$§!!!«
Mir macht es in solchen Fällen wirklich nichts aus, das Gericht zu wechseln. Ich behaupte, auf jeder normalen Speisekarte mit mehr als zehn Positionen (die nicht aus Insekten oder Tieren bestehen, die in Europa als Haustiere gelten) mindestens fünf Gerichte zu finden, auf die ich Appetit habe. Bei dieser Auswahl zweimal das Gleiche zu bestellen, erscheint mir als Verschwendung der Möglichkeiten.
Was das alles mit Glück zu tun hat? Ich bilde mir ein, glücklicher zu sein, wenn ich etwas anderes bestelle, da ich dann verschiedene Dinge probieren kann. Jessica denkt, ich bin weniger glücklich, weil ich dann nicht das esse, was ich eigentlich will.
Doch wer hat nun recht?
Bei meiner Recherche stoße ich auf eine Studie, bei der es wieder einmal um Studenten geht. Diesmal wurden sie von ihren Professoren – Daniel Read und George Loewenstein – zuerst nach ihren Lieblingssnacks gefragt. Danach wurden sie über mehrere Monate jede Woche unter dem Vorwand einer anderen Studie ins Labor bestellt und bekamen dabei einen Snack serviert. Bei der einen Gruppe handelte es sich dabei um ihren Lieblingssnack, die anderen bekamen mal ihren Lieblingssnack, mal ihren zweitliebsten. Am Ende der Studie wurde ausgewertet, welche Studenten zufriedener waren. Es waren diejenigen, die immer ihren Lieblingssnack bekommen hatten – also auf jedwede Abwechslung verzichtet hatten. 30
Ist Abwechslung also schlecht, und bin ich als Glückssucher besser beraten, wenn ich
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