Sternhagelgluecklich
für Freude und für das Lösen von Problemen.« Das Problem sei heutzutage jedoch, dass unsere Arbeit fast nur noch geistig stattfinde. Wir nutzen unsere Hände allenfalls noch zum Tippen, aber nicht mehr, um damit greifbare Dinge herzustellen, die für unser Gehirn einer handfesten Belohnung gleichkommen. Ein selbst gekochtes Essen, eine Schnitzerei oder ein gestrickter Pullover, so Lambert, aktiviere eine größere Zahl solcher Belohnungsleitungen in unserem Kopf als ein Word-Dokument, an dem man stundenlang geschrieben habe. »Unser Gehirn speichert die Zusammenhänge zwischen der Arbeit und den daraus entstehenden Belohnungen. Etwas mit unseren Händen zu erschaffen, gibt uns ein Gefühl von Kontrolle, und das wiederum verhindert Stress und Angst. Wir beklagen uns heute ja schon, wenn der Kühlschrank leer ist und wir einkaufen gehen müssen – dabei hieß Essen noch vor gut hundert Jahren, dass man es jagen oder selbst anbauen musste! Wenn wir Kulturen wie die Amish People betrachten, die auf allen technologischen Fortschritt verzichten, stellen wir fest, dass es bei ihnen seltener Probleme mit Depression gibt. Ebenso wie bei der chinesischen Landbevölkerung, die ebenfalls noch viel Handarbeit verrichtet.«
Einerseits verstehe ich sehr gut, was Kelly Lambert meint, und möchte ihr zustimmen. Auch mein Beruf spielt sich – wie der von immer mehr Menschen – größtenteils im Sitzen vor einem Computer ab. Tippen, klicken, lesen, grübeln, Kaffee trinken. Wir werden fürs Denken bezahlt, für das Erschaffen abstrakter Dinge, für Ideen und Lösungen. Natürlich kann das in guten Momenten auch sehr befriedigend sein. Aber ich merke auch, wie stolz es mich macht, den tropfenden Wasserhahn zu reparieren oder auf dem Balkon einen Schrank für die Getränkekisten zu bauen. Die daraus resultierende glücklich-warme Zufriedenheit ist manchmal größer als die nach einem fertig geschriebenen Artikel und erst recht als nach einem ganzen Tag voller dringender und wichtiger, aber wahnsinnig unergiebiger E-Mails und Telefonate. Aber deswegen Installateur oder Schränkeschrauber werden? Höchstwahrscheinlich würde das Glücksgefühl in dem Moment ausbleiben, in dem ich das, was mich vorher heimwerkerstolz gemacht hat, als Broterwerb machen muss .
Trotzdem: So ganz bin ich von Kelly Lamberts Theorien immer noch nicht überzeugt. Hat der Gemütszustand der Amish People oder der chinesischen Bauern vielleicht weniger damit zu tun, dass sie mit den Händen arbeiten, als mit ihrem Familienzusammenhalt und Gemeinschaftsgefühl? Oder mit ihrem Glauben, der ihnen Ruhe und Zufriedenheit beschert?
Kelly Lambert sagt, das wären auch Faktoren, die zum Lebensglück beitragen. Dennoch glaubt sie, dass körperliche Anstrengung und Handarbeit der wesentliche Schlüssel zu unserer geistigen Gesund- und Zufriedenheit sind. »Indem wir praktische Probleme lösen – auch wenn es nur kleine handwerkliche Projekte sind –, bekommen wir das Gefühl, unser Leben im wahrsten Sinne des Wortes selbst in der Hand zu haben. Dadurch sind wir besser vorbereitet, wenn uns das Schicksal einen großen Brocken hinwirft«, begründet sie ihre These. »Wir haben das mit Laborratten überprüft: Eine Gruppe von Ratten bekam ihr Futter erst, nachdem sie es sich aus einem Haufen Holzwolle herausgegraben hatte. Die andere Gruppe bekam ihr Futter einfach so, ohne Anstrengung. Nach sechs Wochen stellten wir beide Gruppen vor eine unlösbare Aufgabe: Sie sollten ihr Futter aus einem Plastikbehältnis herausholen. Dabei stellten wir fest, dass die ›verwöhnten‹ Ratten viel schneller aufgaben als jene, die sich zuvor ihr Futter hatten erarbeiten müssen.«
Der Trick ist zu atmen
Eine Ratte, die beim Kampf um Futter als Letzte aufgibt, erscheint mir eine etwas triste Definition von Glück zu sein. Aber genau so scheint es zu funktionieren. Im New York Times Magazine lese ich kurz darauf, wie die Wirksamkeit von Antidepressiva an Ratten getestet wird. Die Tiere, so der Artikel, werden in einen Wasserbottich gesetzt, aus dem sie nicht hinausklettern können. Beobachtet wird, wie lange sie es zumindest versuchen, bevor sie irgendwann aufgeben. Eine andere Gruppe Ratten erhält das zu erprobende Antidepressivum, bevor sie dem gleichen Test unterzogen wird. Wenn die Ratten länger versuchen, aus dem Wassertopf hinauszuklettern, und nicht so schnell aufgeben wie ihre ungedopten Kollegen, sehen die Forscher darin einen Beweis für die Wirksamkeit des
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