Sternhagelverliebt
den Kopf aus und lässt es auf den Boden fallen. Mit einem der Handtücher, die ich mitgebracht habe, trocknet sie sich ab. Ganz langsam findet sie wieder zu sich zurück.
»Wie hast du sie gefunden?«, frage ich.
»Ich bin ins Badezimmer gegangen.«
»Das wird dir eine Lehre sein.«
Ihre Mundwinkel zucken verdächtig, und ihre Bewegungen werden flüssiger. Sie zieht sich Boxershorts mit Herzmuster an und dazu ein langärmeliges T-Shirt.
»Bereit, zurück ins Bett zu gehen?«
»Ja, ich denke schon.«
Wir sammeln ihre Kleider und die Handtücher ein und gehen zurück in unser Zimmer. Dort klettern wir in unsere Betten, und ich strecke den Arm aus, um das Licht auszuschalten.
»Meinst du, dass wir das Licht noch eine Weile anlassen könnten?«
»Klar.«
Ich drehe mich auf den Rücken und starre an die Decke. Alles, was ich sehen kann, ist das Blut, das sich um Candice’ blasse Arme sammelt. Ich versuche, das Bild zu verdrängen, aber es bleibt, als hätte es sich für immer in meine Netzhaut eingebrannt.
Gott. Das stand nicht auf dem verdammten Plan. Für so etwas bin ich überhaupt nicht geschaffen. Ich komme ja schon kaum mit meinem eigenen Leben klar. Was würde ich nicht alles für einen Drink tun – oder zehn.
»Amy, glaubst du, dass sie sich ernsthaft umbringen wollte?«
Sie seufzt. »Ich bezweifle es. Sie wollte wahrscheinlich nur Aufmerksamkeit erregen.«
»Wie kommst du darauf?«
»Man muss sich die Pulsadern längs aufschneiden, wenn man es ernst meint«, entgegnet sie sachlich.
Urgs. Ich denke, eine Expertin in Sachen Schneiden wird es wissen.
Amy schlägt mit der flachen Hand gegen die Wand. »Ich kann es nicht erwarten, endlich hier rauszukommen. Zum Glück ist morgen mein letzter Tag.«
»Und dabei verschwendest du keinen weiteren Gedanken daran, dass deine arme Zimmergenossin dann niemanden mehr zum Reden hat – außer Saundra.«
Sie lacht leise. »Du hasst sie noch immer?«
»Sie wächst mir allmählich ans Herz. Verdammt, wahrscheinlich werde ich auch bald damit anfangen, Klamotten mit Hundemotiv zu tragen.«
Amy gähnt herzhaft. »Ich wette, wir könnten ein Vermögen damit verdienen, eine Kleiderlinie mit Hundemotiven zu vermarkten.«
»Für alle Saundras dieser Welt?«
»Die Leute sind verrückt nach ihren Haustieren.« Sie kuschelt sich in ihre Bettdecke. »Wollen wir schlafen?«
»Klar.«
Ich mache das Licht aus und schließe die Augen. Die Bilder von Candice erwarten mich, und immer noch gibt es keinen Drink. Ich schlage die Augen auf und lausche auf Amys gleichmäßiges Atmen. Wieder starre ich an die Decke und beobachte die Schatten, die Mond und Wolken hinterlassen. Ich konnte noch nie leicht einschlafen, und allmählich kenne ich jeden Riss in der Decke. Aber wenigstens wache ich nicht jede Nacht davon auf, dass ich um mein Leben schreie.
Ich schlafe ein, während ich Mondstrahlen zähle und darüber nachdenke, was für ein Glück ich habe.
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8. Kapitel
You Say Goodbye, and I Say Hello
W ährend des Frühstücks am nächsten Morgen erfahren wir, dass es Candice bessergeht und dass sie in ein paar Tagen wieder zurückkommen wird. Die Cafeteria ist erfüllt vom Stimmengewirr und den Gesprächen über sie, und Mary, Amy und ich sind sehr gefragt, als bekannt wird, dass wir irgendwie in das Drama verwickelt waren.
Ich bin froh, dass Candice sich wieder vollkommen erholen wird. So nervig sie auch sein mag, verdient sie die Chance, glücklich zu sein. Vielleicht gelingt es mir jetzt, den Anblick ihres leblosen Körpers aus meiner Erinnerung zu löschen.
Keine Chance.
Nach dem Frühstück bittet Amy mich wieder, mit ihr laufen zu gehen. Und da es ihr letzter Tag ist, willige ich ein.
»Hast du Angst, weil du gehen wirst?«, frage ich, als wir den Weg am Rand der Außenanlage entlanggehen, direkt neben der grauen Sicherheitsmauer her. Ich trage ein Paar ihrer Laufschuhe, die mir erstaunlicherweise wie angegossen passen. Laut offiziellem Wiegen habe ich außerdem zehn Pfund verloren, seit ich hier bin. Zehn Pfund in acht Tagen! Wer hätte gedacht, dass eine Entziehungskur die beste Diät ist, die ich je ausprobiert habe?
»Natürlich.«
»Machst du dir Sorgen, dass du rückfällig werden könntest?«
Sie wirft mir einen ernsten Blick zu. »Mann, Katie. Danke für dein Vertrauen.«
»Scheiße, tut mir leid. Du wirst es schaffen, Amy. Ich weiß, dass du es schaffen wirst.«
»Danke. Du auch.«
Ja, es wird mir gutgehen. Sobald ich hier verdammt noch mal
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