Sternhagelverliebt
Lächeln. Vielleicht mache ich tatsächlich Fortschritte.
»Ja, Katie. Doch Sie müssen auch die Probleme mit Ihrer Familie in Angriff nehmen.«
Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Mit mir und meiner Familie ist alles in Ordnung.«
»Das sehe ich anders, Katie. Und Ihre Eltern sind da einer Meinung mit mir.«
Ich habe eine böse Vorahnung.
»Was meinen Sie damit?«
»Sie haben sich für das Familienprogramm angemeldet. Sie kommen morgen.«
Bingo.
Ich verspüre das Bedürfnis, mit dem Fuß aufzustampfen. »Aber ich will das Familienprogramm nicht machen.«
»Ich denke, dass Sie eine Menge daraus lernen könnten.«
»Nein. Ich will nicht, dass meine Eltern irgendetwas von alldem hier erfahren.« Ich zeige auf die Wände ihres Büros, als könnten die Hundebilder und der Kalender meine Geheimnisse ausplaudern – wie die sprechenden Fotos in
Harry Potter.
»Mir ist bewusst, dass Sie es eventuell als schwierig empfinden …«
Zorn durchzuckt mich. »Es wird nicht schwierig. Es wird qualvoll und demütigend.«
»Katie, vor Menschen, die Sie lieben, verletzlich zu sein, lässt Sie wachsen und sich verändern.«
Dann bleibe ich lieber so, wie ich bin, danke.
»Was für ein Riesenschwachsinn.«
Saundra wirkt besorgt. »Warum sind Sie so wütend?«
»Das habe ich Ihnen schon gesagt. Ich will nicht, dass meine Eltern hierherkommen.«
»Ich halte das für einen Fehler.«
»Ist es dann nicht
mein
Fehler?«
»Ja, das stimmt. Doch wenn Sie ihn schon machen, müssen Sie auch konsequent sein.«
»Was soll das jetzt schon wieder heißen?«
»Wenn Sie nicht wollen, dass sie kommen, müssen Sie sie anrufen und es ihnen sagen.« Sie deutet auf das altmodische schwarze Telefon, das auf ihrem Schreibtisch steht.
Verdammt noch mal.
»Warum?«
»Weil es Teil des Programms ist, dass Sie Verantwortung für Ihr Handeln übernehmen.«
»Aber das ist ungerecht. Ich habe sie nie gebeten zu kommen.«
Ach, Mann. Ich klinge schon wie Candice.
Saundra klopft mit ihrem Bleistift auf den Block. »Entscheiden Sie sich, Katie? Sie haben die Wahl.«
Ich sacke auf meinem Sessel in mich zusammen und starre auf das Telefon. Vor meinem inneren Auge taucht wieder Dads Gesicht auf, sein Blick, als er gestern die Puzzleteile zusammengefügt hat.
»Also gut«, murmele ich in meinen Pullover hinein.
»Wie bitte?«
»Ich sagte:
Also gut.
«
»Sie dürfen Sie also besuchen?«
Ich nicke.
Sie lächelt. »Das freut mich, Katie. Ich glaube, das war die richtige Entscheidung.«
Das glaubt allerdings auch nur sie …
Es geht auf Mitternacht zu, und ich liege im Bett und starre die Decke an. Nachdem ich zwei Stunden lang Mondstrahlen, Risse sowie Schafe – vorwärts und rückwärts – gezählt und dazu noch jede Menge Gedanken voller Selbsthass gewälzt habe, weiß ich, dass an Schlaf nicht zu denken ist.
Ganz kurz denke ich darüber nach, mich in die Bücherei zu schleichen und eines der Bücher zu lesen, die mich auf jeden Fall schläfrig machen, doch das Letzte, wonach mir im Augenblick der Sinn steht, ist es, über Drogen/Alkohol/Selbsterkenntnis oder Selbst-Irgendwas nachzugrübeln.
Ich lausche in die Stille um mich herum. Sie ist leer und ohrenbetäubend zugleich. Sogar Muriel gibt keinen Laut von sich.
Ich frage mich, ob außer mir noch jemand wach ist. Oder ob noch jemandem Visionen von kandierten Früchten oder Brandy mit dem Geschmack nach kandierten Früchten durch den Kopf tanzen? Und wo zur Hölle sind Amber, Connor und Henry, wenn ich sie brauche?
Henry, Henry, Henry. Was zum Teufel soll ich seinetwegen tun? Mag er mich? Mag er mich so wie ein Junge ein Mädchen mag? Wie ein Junge ein Mädchen mag, mit dem er auf einer Wellenlänge ist – auch wenn er sie in der Entzugsklinik kennengelernt hat? Ich glaube schon. Ich
denke,
er tut es, sicher bin ich mir jedoch nicht. Nicht ganz sicher. Nicht so sicher, um zu wissen, ob ich ihn wegstoßen soll.
Aber warum solltest du ihn wegstoßen, wenn er dich mag?
Ich hätte gedacht, dass das offensichtlich ist, wenn man bedenkt, was ich hier mache.
Tja, vielleicht kannst du auch etwas Spaß haben, während du arbeitest?
Vielleicht könntest du mich auch endlich mal schlafen lassen?
Ich meine ja nur …
Nein, ich will jetzt schlafen.
Damit du von Henry träumen kannst?
Ach, du kannst mich mal.
Vielleicht ist er ja auch wach?
Das bringt mich auf eine Idee …
Ganz leise, damit ich Muriel nicht aufwecke, schiebe ich meine Kissen unter meine Bettdecke,
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