Sternhagelverliebt
während mein Rad ein paar Meter weiterschlittert. Ausgestreckt liege ich auf meinem Rücken und bekomme kaum Luft. Mir tut alles weh. Vielleicht sterbe ich – aber ich höre die Vögel zwitschern und von irgendwoher einen freudigen Aufschrei.
Himmel. Ich wünschte, ich würde an Gott glauben, damit ich zu ihm beten könnte, mich zu holen, damit der Schmerz aufhört. Doch ich bin nicht gläubig. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als mir zu wünschen, dass mein Hirn mir einen Gefallen tut und für ein paar Minuten abschaltet. Zumindest so lange, bis die Sanitäter mit ihren Schmerzmitteln vor Ort sind.
Schmerzmittel. Mist. Ich bin echt verkorkst.
»Geht es Ihnen gut, Ma’am?«, erklingt eine Stimme, die mir nur allzu vertraut ist.
Ich muss halluzinieren. Vielleicht ist das die Vorstufe zu einer Ohnmacht?
Ich hebe die Hand, um mir den Schlamm von der Brille zu wischen. Da erkenne ich die verschwommene Gestalt, die sich über mich beugt. Ja, jetzt bin ich mir sicher, dass ich – mögliche Kopfverletzung hin oder her – nicht halluziniere.
»Dad?«
»Katie?«
Er kniet sich neben mich und nimmt mir vorsichtig die Schutzbrille ab. Und da ist mein Dad, der mich mit Sorge und Verwirrung in den Augen ansieht, Augen, die von demselben Blau sind wie meine.
»Hi, Dad.«
Scheiße. Sogar das Sprechen tut mir weh.
»Geht es dir gut?«
»Ich weiß nicht.«
Er nimmt seinen Helm ab und legt ihn neben mich auf den Boden. Seine Haare sind fast vollständig grau; er sieht älter aus als noch vor vier Jahren.
»Kannst du dich aufsetzen?«
»Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist«, sagt plötzlich eine weitere vertraute Stimme.
Meine Schwester tritt in mein Blickfeld und für einen Moment habe ich das Gefühl, kopfüber in einen Spiegel zu sehen. Das gleiche wellige kastanienbraune Haar, die gleiche schlanke Figur, die gleiche schmale Nase. Aber zwei vollkommen verschiedene Leben.
Ich ging. Sie blieb. Ich studierte an der Uni in der Stadt und häufte einen enormen Schuldenberg an. Sie ging zum College in der Nähe und legte ihr Geld zurück. Ich träumte davon, wie groß die Zeile mit meinem Namen über meine Artikel gedruckt werden würde. Sie wurde Lehrerin wie Mom und bekam eine Anstellung in der örtlichen Grundschule.
Irgendwann im Laufe der Zeit hat sie auch einen beträchtlichen Komplex entwickelt. Meiner Meinung nach ist dafür vor allem ihr Freund aus der Highschool, Michael, verantwortlich. Er ließ sie an ihrem Hochzeitstag sitzen. Ernsthaft. Sie stand im Brautkleid hinten in der Kirche und wartete darauf, dass der Hochzeitsmarsch begann. Ich musste ihr erklären, dass Michael nicht mehr käme, dass er mit einem Mädchen durchgebrannt sei, das er auf seinem Junggesellenabschied kennengelernt habe. Damals nahm Chrissie es erstaunlich gelassen auf – jedenfalls glaubten wir alle das. Aber seitdem ist sie nicht mehr dieselbe.
»Hey, Chrissie.«
Sie sieht weg. »Beweg sie nicht, Dad. Vielleicht hat sie sich den Hals gebrochen.«
Muss sie angesichts dieser Möglichkeit so erfreut klingen?
Sie zieht ihr Handy aus dem Schultergurt ihres Rucksacks. »Bleib einfach ganz ruhig liegen, Katie.«
Sie gibt eine Nummer ein, spricht dann mit forscher, autoritärer Stimme ins Handy und erklärt, um was für einen Notfall es sich handelt.
Während ich so daliege und mein Dad mir tröstliche Worte zuflüstert, fängt der Schmerz an, langsam zurückzugehen. Ich atme bedächtig ein und fülle meine Lunge. Es tut immer noch weh, doch ich wünsche mir nicht mehr, ohnmächtig zu werden. Obwohl ich Chrissies Warnung in den Ohren habe, dass ich mir den Hals gebrochen haben könnte, bewege ich ganz behutsam meinen Kopf. Es knirscht, aber mein Hals scheint soweit in Ordnung zu sein.
Ich stütze mich mit den Händen auf dem Boden ab und richte mich auf.
Chrissie klappt ihr Handy zu. »Hey, ich sagte, dass du still liegen bleiben sollst!«
»Kommandier mich nicht rum, Chrissie.«
Auf dem Gesicht meines Vaters erscheint der enttäuschte Ausdruck, der sich immer einstellt, wenn wir beide uns streiten. »Mädchen, Mädchen.«
Ich betrachte meine Beine. Sie sind voller Schlamm und Dreck, doch sie scheinen beide in die richtige Richtung zu zeigen. Vorsichtig bewege ich sie.
»Tja, wenn es dir egal ist, dass du möglicherweise gelähmt bist«, schnaubt Chrissie.
»Danke für dein Mitgefühl, Chris. Dad, kannst du mir beim Aufstehen helfen?«
»Natürlich, Schatz.«
Er hilft mir auf meine zittrigen Beine. Ich
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