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Sternschnupperkurs

Sternschnupperkurs

Titel: Sternschnupperkurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jill Mansell
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fiel Leos Lächeln nur knapp aus. »Warum hast du das vergraben?«
    »Für die Nachwelt.« Suzy öffnete die luftdicht verschlossene Dose. Es war noch alles darin, sorgfältig in Plastiktüten verpackt, genau so, wie sie es in Erinnerung hatte. »Ich glaube, die Kinderserie
Blue Peter
hat mich auf die Idee gebracht. Man vergräbt eine Zeitkapsel, und Hunderte von Jahren später kommt jemand des Wegs und findet sie und entdeckt zu seiner Begeisterung, wie es sich als patziger Teenager in den 1990 er-Jahren lebte.«
    »Ich könnte jetzt so tun, als hätte ich dein Tagebuch nicht gelesen«, sagte Leo, »aber das werde ich nicht tun. Ich musste schließlich herausfinden, wem die Dose gehört.«
    Suzy wickelte das Tagebuch mit zitternden Fingern aus. »Hast du alles gelesen?«
    »Nur die erste Seite. Auf der allerdings so gut wie alles steht. Soll ich dir jetzt eine Tasse Kaffee machen?«
    Meilenweit weg – Jahre entfernt – nickte Suzy. Sie schlug die erste Seite auf, die Leo bereits gelesen hatte.
    Dieses Tagebuch gehört Suzy Curtis, 11  Jahre, Sheldrake House, Sneyd Park, Bristol, England.
    Januar . Ich glaube, meine Mutter liebt mich nicht. Sie war an Heiligabend hier, aber am ersten Weihnachtstag ist sie wieder weg. Für zwei Wochen nach Hongkong. Ich vermisse sie und ich liebe sie, aber sie vermisst mich nicht, sonst würde sie nicht wegfahren.
    Ich habe auch keinen Hund zu Weihnachten bekommen, wie ich es mir gewünscht habe, darum war es eine Verschwendung, dass ich mir von meinem Taschengeld ein Hundehalsband und eine Leine gekauft habe. Und meine Haare sehen scheußlich aus, seit die doofe Julia sie mir geschnitten hat. Wenn Mummy hier wäre, könnte sie mich zu einem richtigen Friseur bringen. Ich sehe blöd aus mit den kurzen Haaren, und alle werden jetzt über mich lachen …
    Als Suzy das Ende der Seite erreichte, stellte sie fest, dass sie nicht weiterlesen konnte. Ihr Hals schnürte sich zusammen, Tränen wallten auf. Die Handschrift der Elfjährigen löste sich auf und fing vor ihren Augen an zu tanzen, und sie schluchzte würdelos in die Stille der Küche hinein.
    HEUL
    Grundgütiger, sie klang wie eine Gans beim Eierlegen.
    HEUUUUL
    Die ein Ei in der Größe einer Wassermelone legte.
    HEUL , HEUL , WHÄÄÄÄÄ
    Es war ein entsetzlicher Ton, aber sie war absolut machtlos und konnte ihn nicht verhindern. Auf gewisse Weise war es eine solche Erleichterung, alles herauszulassen, dass es ihr sogar egal war.
    Suzy hatte keine Ahnung, wie lange sie herumheulte wie eine Zweijährige und sich zum Affen machte. Im Hintergrund war sie sich dumpf bewusst, dass Leo da war und sie vernünftigerweise einfach weinen ließ. Er bewegte sich leise, brühte Kaffee auf, machte sauber und fand sogar ein frisches Geschirrspültuch. Nachdem Suzys einziges Zellstofftaschentuch sich mehr oder weniger aufgelöst hatte, reichte er ihr das Handtuch.
    Zu guter Letzt war das Schlimmste vorüber, der Tränenstrom war einem schnüffelnden Schluckauf gewichen und einem gelegentlichen Schluchzer. Suzy bedauerte umgehend ihren Ausrutscher. Sie stand auf und ging zum Fenster, damit sie so tun konnte, als würde sie den Garten betrachten, anstatt gezwungen zu sein, Leos aufreizendem Blick standzuhalten.
    Sie holte tief Luft. »Tja, meine Güte, ich glaube, das war eben eine zeitverzögerte Reaktion. Ich kann dir versichern, ich hatte keine Ahnung, dass das passieren würde.«
    Sie konnte Leo nicht sehen, aber sie wusste, wo er war. Hinter ihr, neben dem Küchenschrank, ungefähr vier Meter entfernt.
    »Ich bin froh, dass es passiert ist«, sagte Leo.
    »Es ist so kleinmädchenhaft, dieses Herumgeheule. Es tut mir echt leid …«
    »Suzy, es gibt nichts, wofür du dich schämen müsstest. Du musst dich nicht entschuldigen.«
    Er war jetzt näher, vermutlich nur noch drei Meter entfernt. Suzys Knie begannen zu zittern.
    »Ich hatte diese Dose ganz vergessen, weißt du. Über die Vergangenheit denke ich so gut wie nie nach. Vermutlich hat es mich deshalb so eiskalt erwischt … alles kam auf einen Schlag zurück.«
    »Ich glaube, du hattest es nötig«, sagte Leo zu ihr. »Ich bin sogar sicher, dass du es nötig hattest. Es tut nie gut, wenn man etwas verdrängt.«
    Zwei Meter? Eineinhalb Meter?
    Suzys Wirbelsäule kribbelte wie Champagnerbläschen. Sie schloss die Augen. »Ich habe nicht geweint, als sie starb.«
    Stille. Sie hatte absolut keine Ahnung, wie weit Leo jetzt noch von ihr entfernt war.
    Wie blöd werde ich mir vorkommen,

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