Sternschnupperkurs
wenn ich mich jetzt umdrehe und feststelle, dass er nach Hause gegangen ist.
Und dann spürte sie ihn. Den warmen Atem in ihrem Nacken.
Ich kann es nicht sagen, ich kann es nicht sagen …
Aber sie wusste, dass sie es sagen musste.
»Ich bin ein schrecklicher Mensch«, murmelte Suzy, hielt sich die Hand über die Augen und merkte, dass die Tränen noch nicht mit ihr fertig waren. »O Gott, ich schäme mich so …«
Im nächsten Augenblick schlangen sich Leos Arme wie eine Decke um sie. Sein Mund war nur noch wenige Zentimeter von ihrem Ohr entfernt und er murmelte: »Du musst dich nicht schämen. Viele Menschen können nicht sofort weinen.«
»Das ist es doch g-gar nicht.« Suzy sah nach unten, auf seine Hände, die er um ihre Taille geschlungen hatte, direkt unter ihrem Brustkorb. Zwei heiße Tränen kullerten über ihre Wange und landeten wie Regentropfen auf seinem sonnengebräunten Handgelenk.
»Also gut.« Leo hielt kurz inne. »Hast du sie ermordet?«
»Nein.«
»Tja, das ist gut. Was hast du dann getan, wofür du dich so furchtbar schämst?«
Eine weitere Träne plumpste auf den Daumen seiner linken Hand.
Dann noch eine und noch eine.
»Ich bin e-eifersüchtig auf Lucille.«
Suzy ließ den Kopf hängen. So, es war draußen. Sie hatte es endlich gesagt. Sie war jetzt offiziell eine gemeine und verachtenswerte Person.
Jetzt wird er mich richtig hassen.
»Nur weiter«, forderte Leo sie auf.
Wenigstens hatte er ihr nicht das feuchte Geschirrspültuch um die Ohren geschlagen.
»Ich weiß, wie furchtbar das klingt«, murmelte Suzy. »Ich meine, wir sind doch in diesem großen Haus im Sneyd Park aufgewachsen und in den Ferien ins Ausland gefahren. Lucille hatte das alles nicht. Sie hatte nicht einmal eine Vollzeitmutter. Aber … aber wenigstens verstand sie, warum Blanche nicht immer für sie da war, und sie wusste, dass Blanche sie liebte.« Oh, das war schwer. Suzy biss sich auf die Lippen und zwang sich fortzufahren. »Während meiner ganzen Kindheit und Jugend konnte ich spüren, wie angespannt meine Mutter war. Sie tat ihr Bestes, um fröhlich zu erscheinen, aber in Wirklichkeit kam sie nur ihrer Pflicht nach und zählte die Stunden, bis sie wieder auf eine ihrer Spritztouren verschwinden konnte. Heute weiß ich, dass das längst nicht alles war. Sie zählte die Tage, bis sie wieder vereint war mit William und Lucille. Das ist wie … wie …«
»Ja?« Leo hatte sich nicht gerührt, er hielt sie immer noch im Arm.
»Wie wenn man sieben Jahre alt ist«, seufzte Suzy, »und man weiß, dass man erst sein Gemüse aufessen muss, bevor man den Pudding bekommt.«
»Und du warst das Gemüse?«
»Nicht einmal Mais oder Spargel«, meinte sie kläglich. »Wahrscheinlich war ich der Kohl. Lach nicht, das ist
nicht
komisch.«
»Ich habe nicht gelacht«, versicherte Leo und drehte sie um, sodass sie ihn ansah. Seine Mundwinkel zuckten. »Wenigstens nicht so, wie du denkst. Ich hatte gerade das Bild vor meinem geistigen Auge, wie du auf einem Teller sitzt, mit Soße übergossen.«
Ach, das verstand er also unter Einfühlungsvermögen.
»Vielen Dank«, sagte Suzy übelgelaunt.
»Nein, im Ernst«, meinte Leo. »Ich verstehe genau, warum du dich so fühlst. Aber das solltest du wirklich nicht.«
»Hasst du mich jetzt? Weil ich eifersüchtig auf Lucille bin?«
Er sah einen langen Moment auf sie herab. »Ich hasse dich ganz und gar nicht.«
Hypnotisiert von seinem Mund merkte Suzy, dass er – Hilfe! – immer näher kam. Er würde sie gleich küssen, seine Hände wanderten ihren Rücken hoch und, o ja, er würde sie jetzt definitiv küssen …
41. Kapitel
Gerade noch rechtzeitig wurde Suzy klar, was hier passierte. Dieser verdammte Leo Fitzallan, es war nichts weiter als ein Trick, ein neuerlicher perfider Versuch, sie hereinzulegen und zu beweisen, was für ein herzloses, untreues Luder sie doch war.
Wie ein Boxer im Ring, der sich einem tödlichen linken Haken gegenübersieht, duckte sich Suzy blitzschnell. Geschickt wand sie sich aus seinen Armen und kreischte: »Ach herrje, ist es schon so spät? Ich habe Maeve versprochen, dass ich um fünf zurück sein würde. Sie wird sich fragen, wo ich bleibe! Also, wo habe ich gleich wieder meine Autoschlüssel hingelegt?«
»Suzy …«
»Das nehme ich auch mit nach Hause.« Suzy plapperte, was das Zeug hielt. Sie griff nach der blau-goldenen Dose, warf das belastende Take-That-Tagebuch hinein und drückte den Deckel fest zu. »Ach, das Telefon …
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