Sternschnupperkurs
damit kenne ich mich aus.
»Oh? Und das wäre?«
»Ich kann nicht zu mir nach Hause. Zu viele Treppen. Die Physiotherapeutin meinte, das sei zu gefährlich für jemand an Krücken und ich dürfe es nicht riskieren. Kurzum, wäre es in Ordnung, wenn ich bei dir wohne?«, fragte Harry ungeniert.
Suzy hätte beinahe den Hörer fallen lassen.
»Aber … aber ich habe auch Treppen, jede Menge Treppen …«
Harry, der im Westbury Park in einem kleinen Reihenendhaus aus den Zwanzigern wohnte, meinte geduldig: »Ja, aber deine sind breit und meine sind schmal. Meine sind schmal und steil.«
O Gott, es passiert schon wieder, erkannte Suzy. Was für eine Wahl hatte sie denn schon? Sie konnte ihn ja kaum abweisen und ihm sagen, dann solle er eben unter eine Brücke ziehen.
Er war schließlich Harry der Held.
Wie es auch auf der Titelseite der neuesten Ausgabe von
Hi!
zu lesen stand.
Und ich bin seine ihn liebende Verlobte, dachte Suzy. Ihr sank der Mut, als sie auf den riesigen Diamanten sah, der an ihrem Finger funkelte. »Natürlich kannst du bei mir wohnen.«
»Toll«, sagte Harry. »Ich darf hier raus, sobald der Facharzt seine Visite auf dieser Station gemacht hat. Um wie viel Uhr kannst du mich abholen?«
Als Suzy das Gespräch mit Harry beendet hatte, merkte sie, dass Martin immer noch wie in Trance an seinem Schreibtisch saß.
»Martin? Du kannst jetzt gehen.«
Langsam erhob er sich, sein Gesichtsausdruck vollkommen verloren.
»O Suzy, was soll ich nur tun? Ich
liebe
Nancy. Ich liebe sie so sehr … und jetzt habe ich sie verloren.«
Hm, dachte Suzy, ich habe genau das umgekehrte Problem. Ich liebe Harry nicht, und jetzt werde ich ihn nicht wieder los.
Als Leo durch Clifton kam, beschloss er spontan, bei Lucille vorbeizuschauen und herauszufinden, ob es ihr immer noch ernst damit war, nicht in der Alpha Bar aufzutreten.
Da er nicht sicher war, ob sie zu Hause war, klingelte er und wartete.
Leo neigte normalerweise nicht zur Sprachlosigkeit, aber als die Tür schließlich von einem gutaussehenden Mann geöffnet wurde, den er noch nie zuvor gesehen hatte, tropfnass und abgesehen von einem türkisfarbenen Handtuch um die Hüften splitterfasernackt, dauerte es doch ein paar Sekunden, bevor er etwas sagen konnte.
»Tut mir leid, ich habe es erst gar nicht klingeln gehört.« Martin zeigte auf seine nassen Haare. »Ich war unter der Dusche.«
»Ich will zu Lucille«, sagte Leo.
»Sie ist nicht hier.«
»Sind Sie ein Freund von ihr?«
»Nein.« Martin schüttelte den Kopf. »Ich bin ein Freund von Suzy.«
»Wenn das so ist« – Leos Nackenhaare stellten sich binnen Sekunden auf –, »würde ich gern mit Suzy reden.«
Was zum Teufel hatte sie jetzt wieder angestellt?
»Geht leider nicht.« Martin zuckte mit den Schultern. »Sie ist auch nicht hier. Hören Sie, ich glaube, mein Schinken brennt an …«
»Kann ich hochkommen und eine Nachricht hinterlassen?«, fragte Leo rasch.
Sie folgten dem Geruch von Schinken die Treppe hinauf.
»Wo ist Suzy?«, erkundigte sich Leo.
Martin rettete den Schinken, den er in den Backofen gelegt hatte, bevor er unter die Dusche gegangen war. Er gab zwei Eier in eine Pfanne, dann goss er sich aus der Kanne auf dem Küchentisch Kaffee ein.
»Suzy? Ach, die ist bei der Arbeit.«
Von seinem Platz aus hatte Leo freie Sicht durch den Flur in Suzys Schlafzimmer. Er wusste, dass es Suzys Schlafzimmer sein musste, denn die Schranktür stand sperrangelweit offen und er sah ihr lila Jackett sowie grellbunt gemusterte Blusen und Röcke, in denen Lucille nicht einmal tot am Zaun hängen würde.
Ganz zu schweigen von der Regenbogenparade an Schuhen, die auf dem Boden des Schranks standen.
Aber nicht die Kleider im Kleiderschranken bereiteten Leo Kummer.
Es war der dunkelgraue Anzug, das weiße Hemd und die orange-graue Krawatte des Mannes, die auf dem ungemachten Doppelbett lagen.
Martin, immer noch nur im türkisfarbenen Handtuch, ließ die Spiegeleier aus der Pfanne auf zwei Scheiben dick gebutterten Toast gleiten. Er gab die Schinkenstreifen dazu, tränkte alles mit Tomatenketchup und streute genug Pfeffer auf das Ganze, um ganz Russland niesen zu lassen. Als er merkte, dass er mit einem Blick beobachtet wurde, der verdächtig nach Missbilligung aussah, sagte er: »Haben Sie einen Stift?«
»Wie bitte?« Leos dunkle Augen wurden schmal.
»Wenn nicht, in der Obstschale hinter Ihnen liegt einer.« Martin war bedacht, den Besucher loszuwerden, damit er
Weitere Kostenlose Bücher