Sternstunde der Liebe (German Edition)
Ich sage dir, Michael – das ist sentimentaler Quatsch. Lasst meinem Vater seine Würde, ja? Lasst ihn Abschied nehmen, ohne dass jede alte Jungfer ihr Baumwolltaschentuch schwenkt … und Rumer die Meute anführt.«
»Es war lustig«, widersprach Michael.
»Ach vergiss, dass ich überhaupt etwas gesagt habe. Also amüsier dich gut und ruf deine Mutter hin und wieder an. Die Dreharbeiten ziehen sich endlos in die Länge, und ich freue mich über jede Abwechslung.«
»Wo bist du denn?«
»In irgendeinem kanadischen Fischernest am Ende der Welt. In Nova Scotia, ausgerechnet – ich treffe mich mit deinem Großvater, gleich nach seiner Ankunft. Den ganzen Tag fahren Fischerboote in den Hafen rein und raus … allein der Hummergeruch reicht, dass mir schlecht wird. Meine Haare, meine Kleider, alles stinkt nach Hummer – widerlich.«
Das Wort Hummer ließ Michael an Quinn denken. Von seinem Fenster aus konnte er ihre Bojen in den Wellen auf und ab schaukeln sehen und seinen Vater, der im Sternenlicht schwamm.
Seine Mutter verstand nicht, was wirklich wichtig war. Bis zu diesem Sommer war es Michael nicht anders ergangen.
19
Z eb holte das alte Ruderboot aus Winnies Schuppen, und gemeinsam staubten Michael und er die Spinnweben ab, kauften neue Ruder und Riemendollen und ließen den Kahn von den Felsen vor dem Haus zu Wasser. Obwohl Michael Quinns Gesellschaft eindeutig vorgezogen hätte, fügte er sich ohne zu murren, als Zeb mit ihm nach Gull Island und auf die andere Seite, nach Tomahawk Point ruderte, auf den Spuren seiner Lieblingsexkursionen als Junge.
»Schön ist es hier«, sagte Michael eines Nachmittags, als sie in dem Ruderboot die kleine Bucht durchquerten.
»Ein Paradies, um aufzuwachsen«, pflichtete Zeb ihm bei. »Könntest du dir vorstellen, hier zu leben?«
Michael schien die Frage ernsthaft in Erwägung zu ziehen. »Ja. Absolut. Und du? Könntest du hierher zurückkommen?«
Zeb dachte daran, was er zu Rumer gesagt hatte: Er hatte geschworen, dass es ihnen gelingen würde, die Geschichte umzuschreiben. Seither hatte sie nicht mehr mit ihm gesprochen. Sein Gelöbnis beruhte auf der gleichen felsenfesten Überzeugung, die Menschen befähigt hatte, zum Mond zu fliegen.
»Ja. Könnte ich«, erwiderte Zeb.
Zeb ruderte sogar an Tagen, wenn Michael anderweitig beschäftigt war. Sein Rücken brannte in der prallen Sonne und seine Muskeln schmerzten. Er versuchte, sich körperlich zu verausgaben, um die Anspannung zu vertreiben, unter der er stand, während er auf Rumer wartete. Wenn er nach Sonnenuntergang noch draußen war, sah er, wie die Lichter in ihrem Haus auf dem Hügel angingen. Einmal sah er sie an einem Fenster im ersten Stock vorübergehen, eine anmutige, geheimnisvolle Schattengestalt.
Ein anderes Mal hätte er schwören können, dass sie ihn mit dem Feldstecher beobachtete. Sie stand auf der Veranda, das Glas vor den Augen, und sah zu, wie er durch die Bucht ruderte. Er hatte sein Hemd ausgezogen, der Schweiß rann ihm über den Körper. Er konnte nicht umhin, die Muskeln anzuspannen. Wenn sie schon zuschaute, wollte er wenigstens eine gute Figur abgeben. Das NASA-Training hatte dafür gesorgt, dass er topfit und kraftstrotzend war; da er sie mit seinen Muskeln beeindrucken wollte, legte er sich noch härter in die Riemen.
Als er hochblickte, war sie verschwunden.
Am nächsten Tag sah er sie vor dem Postamt. Er war mit dem Fahrrad unterwegs, um die Zeitung und seine Post abzuholen und Milch zu kaufen. Rumer hatte ihren Truck dort abgestellt, war auf dem Weg zur Schule. Quinn und Michael steckten in der Fahrerkabine die Köpfe zusammen und gingen irgendwelche Hausaufgaben durch; Michael war bereits aus dem Haus, als Zeb aufgestanden war, um vor dem Unterricht noch eine Stunde mit Quinn zu verbringen. Als Zeb härter in die Pedalen trat und den Hügel hinaufkam, stieg Rumer mit der Post in ihren Wagen, winkte ihm zu und rief, während sie rückwärts aus der Parklücke fuhr: »Die beiden kommen zu spät zur Schule – ich nehme sie mit!«
Sie schien unbeeindruckt von seiner Schnelligkeit, seinen Muskeln und seinem Geschick auf dem Rad. Das lässt sie völlig kalt, dachte Zeb. Wahrscheinlich hatte sie mit dem Feldstecher nur die Vögel beobachtet, in der Hoffnung, den Fischadler zu entdecken, den sie gerettet hatten, und gar nicht ihn im Visier gehabt. Oder sie hatte den Horizont nach der Schaluppe ihres Vaters abgesucht.
Schließlich wurde er ungeduldig und beschloss, kurz bei
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