Sternstunde der Liebe (German Edition)
Gefängnisinsassen setzte man sie fünfmal in der Woche zum Abendessen vor. Sie hatten ihn so satt, dass sie in Hungerstreik traten.«
»Hungerstreik ist nichts für mich.« Quinn rieb sich die Hände. »Ich esse Rind. Extra-extra blutig – solange sie das Fleisch nicht wie einen Braten schmoren, habe ich nichts einzuwenden. Hübsch ist es hier! Ihr hättet uns nicht einladen müssen … die Noten sind nur eine Art Zwischenbericht – sie gehen nicht ins eigentliche Zeugnis ein.«
»Aber ihr habt Spitzenzensuren, und das zählt«, ließ sich Zeb vernehmen.
Michael sagte nichts, sondern stieg aus und umrundete den Wagen und ging an Quinns Seite. Das letzte Mal hatte er in der achten Klasse Spitzenzensuren gehabt. Er konnte nicht umhin, vor Stolz über seine Leistungen schier zu platzen – genau wie sein Vater.
»Und, wie gefällt dir das Lokal?« Zeb ging neben seinem Sohn einher, Quinn an der anderen Seite.
»Sieht ganz okay aus.«
Zeb nickte. Zee und er hatten Michael in einige der erlesensten Gourmet-Tempel der Welt mitgenommen. Ins Taillevent und l’Ambroisie in Paris, ins La Tante Claire in London, ins Chanterelle und Nobu in New York und in ihre alten Stammlokale Orso und Les Deux Cafés in Los Angeles. Wenn sie mit Meeresblick speisen wollten, hatten sie das Ivy at the Shore in Santa Monica oder ihren bevorzugten Biker-Treff, das Neptune’s Net in Malibu besucht. Michael war ziemlich verwöhnt, wenn es ums Essen ging; Zeb hoffte nur, dass er nichts sagte, was die Gefühle seiner Tante verletzen könnte. Rumer hatte das Restaurant voller Stolz und Freude ausgesucht. »Die Spezialität des Hauses sind Meeresfrüchte«, sagte Zeb.
»Ich weiß. Es gefällt mir, Dad.« Er hielt Quinns Hand und zog sie vorwärts, so dass Zeb und Rumer gemeinsam weitergingen. Ihre Füße knirschten auf dem Kies, der mit zerstoßenen Muschelschalen vermischt war. Rumer legte den Arm um ihn.
»Es läuft prima zwischen Michael und dir«, sagte sie.
»Ja. Finde ich auch.«
Die moralische Unterstützung tat ihm gut, aber was ihn wirklich beschäftigte, war das Gewicht ihres Armes – zart und leicht, aber mit genug Substanz, um ihm einen Schauer über den Rücken zu jagen.
Sie nannten einem der Keatings, den Besitzern des Restaurants, ihre Namen und warteten an der Bar, bis ihr Tisch frei wurde. Der Barkeeper schlug den Erwachsenen vor, den Whisky Sour zu probieren – ein spezielles Getränk des Hauses –, aber alle vier bestellten Eistee. Zeb warf Rumer einen verstohlenen Blick zu, wünschte sich, sie würde ihn abermals berühren.
»Trinkst du nie Alkohol, Tante Rumer?«, fragte Michael.
»Nicht oft.«
Michael nickte zufrieden.
Während Quinn und Michael die Köpfe zusammensteckten und über Hummer und Hausaufgaben scherzten, versuchte Zeb, Rumer näher zu kommen. Er sehnte sich danach, scheinbar versehentlich ihre Hand zu streifen, ihre Haut zu spüren. Er hätte sich ihr gerne noch mehr genähert, den Arm um sie gelegt, sie berührt. Ihre blauen Augen strahlten. War sie so glücklich, wie es schien? Weil sie mit ihm, Michael und Quinn zu Abend aß? War das alles, was sie zu ihrem Glück brauchte?
Als Zeb hörte, wie ihre Namen über Lautsprecher ausgerufen wurden, folgte er den anderen in den Speisesaal. Eine hübsche junge Dame nahm sie in Empfang und führte sie zu einem Tisch am Fenster. Sie trug ein Hörgerät und sprach, als sei sie schwerhörig; sie strahlte, als Rumer sich mit ihr in Gebärdensprache unterhielt.
»Woher kannst du denn das?«, fragte Quinn.
Rumer sah Zeb an und errötete.
»Erzähl du es ihr, Zeb.«
»Wir haben uns die Gebärdensprache schon in jungen Jahren angeeignet«, sagte er. »Damit wir uns abends miteinander unterhalten konnten, über die Gärten hinweg, wenn alle anderen schliefen.«
»Vom Fenster aus?«, fragte Michael.
Zeb nickte und blickte Rumer an. Die Kerze in der bernsteinfarbenen Sturmlaterne flackerte, verlieh ihren blauen Augen ein Leuchten, ihrem weizenblonden Haar einen warmen, goldenen Schimmer. Zeb war tief bewegt von ihrer Schönheit, aber auch von der Erinnerung an die neue Sprache, die er erlernt hatte, um sich auch ohne Worte mit ihr verständigen zu können.
»Du kannst mit Menschen reden, die taub sind«, sagte Quinn zu Rumer. »Ich kann das nicht, aber ich weiß, wie das ist, wenn man abgeschottet in seiner eigenen Welt lebt. Du hast damals auch einen Zugang zu mir gefunden. Als Einzige.«
»Einen Zugang zu dir zu finden war leicht«, erwiderte
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