Sternstunde der Liebe (German Edition)
Haustür ging, wo sie ihr Fahrrad abgestellt hatte.
Während sie die sechs Meilen bis zur Eisenbahnbrücke fuhr, ebbte der Gefühlsaufruhr in ihrem Innern ab. Die Strecke führte den Hügel hinauf, nach Hubbard’s Point hinein, am Friedhof vorbei und wieder hügelabwärts nach Hause. Sie radelte an Sixtus vorbei, der sein Boot ausbesserte. Sie hätte um ein Haar angehalten, um ein paar Worte mit ihm zu wechseln – er verstand sie wie kaum ein anderer. Ihre Tante hatte ihr erzählt, dass er seinen Vater verloren hatte, als er noch jünger als Quinn gewesen war, und eine harte Kindheit in Kanada gehabt hatte. Sein Zwillingsbruder war vor einigen Jahren an Lungenentzündung gestorben.
Zu Hause angekommen, entdeckte sie ihre Schwester Allie. Allie hatte heute früher als sonst Schulschluss: Sie war zwei Klassen unter ihr, und die Neuntklässler hatten morgens auf dem Boot des Umweltschutzzentrums eine Erkundungsfahrt gemacht. Sie sprengte gerade den Garten, damit er für die Hochzeit tipptopp aussah. Quinn lief eine Gänsehaut über den Rücken, als sie sich vorstellte, wie schrecklich es wäre, ihre Schwester zu verlieren – fast noch schlimmer als der Tod ihrer Eltern.
»Hallo, Al«, rief sie.
»Wo warst du, Quinn?«
»In der Schule.«
Allie sah sie verwirrt – und gekränkt – an. Sie dachte sicher, dass Quinn schwindelte; bestimmt hatte man ihr die Geschichte, wie sie rausgeflogen war, brühwarm und in allen Einzelheiten erzählt.
»Ehrlich, Allie. Ich musste mein Lineal holen.«
»Wozu denn das?«
»Um die Hummer zu messen. Ich möchte schließlich nicht hinter Gittern landen, weil ich auch solche behalte, die noch nicht groß genug sind –«
Als sie Allies ängstlichen Blick bemerkte, schüttelte sie hastig den Kopf. »Nein, nein – das war nur ein Scherz. Ich werde schon nicht eingesperrt.«
»Warum musst du dir ständig Ärger einhandeln?«, flüsterte Allie, Tränen glitzerten in ihren Augen. Es waren Tränen der Liebe – ohne Zweifel. Die Beziehung zwischen ihnen war stark und dauerhaft; seit ihre Eltern ertrunken waren, waren sie füreinander da gewesen. Quinn hätte alles getan, um den Kummer ihrer Schwester zu vertreiben, aber sie schien nicht in der Lage zu sein, sich selbst zu ändern.
»Ich bemühe mich ja. Das mache ich schließlich nicht mit Absicht. Tut mir Leid, wenn ich dich dadurch in eine peinliche Lage bringe.«
»Das ist es nicht.« Allies Stimme klang gequält, als sie sich über die Augen wischte. »Ich mache mir Sorgen um dich. Ich will nicht, dass du dir das Leben unnötig schwer machst.«
»Ich auch nicht«, flüsterte Quinn und ließ sich auf einem Felsen nieder, als sie entdeckte, dass der Junge aus Kalifornien sie vom anderen Ende der Straße aus beobachtete. Am liebsten hätte sie mit dem nächstbesten Gegenstand nach ihm geworfen, ihn angebrüllt, er solle sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern, aber in Allies Gegenwart konnte davon keine Rede sein. Sie wollte ihre Schwester nicht noch mehr aufregen, aber es missfiel ihr, beobachtet zu werden.
»Zeig es ihnen!« Allies hatte vor lauter Gefühlen einen Kloß im Hals.
»Was? Wem?«
»Den anderen Schülern.«
»Warum sollte ich? Sie glauben, ich sei sonderbar. Warum sollte ich versuchen, ihre Meinung zu ändern?«
»Sie halten dich nicht für sonderbar, Quinn. Aber sie kennen dich nicht richtig. Du lässt nur Menschen an dich heran, deren du dir sicher bist.«
»Und wer soll das sein?«
»Ich, Tante Dana, Sam … Rumer, Mr. Larkin, Mrs. McCray, Winnie … Menschen, die du liebst.«
Quinn starrte stumm auf ihre Gummistiefel. Allie hatte den Gartenschlauch noch immer in der Hand, sprengte die pinkfarbenen Kletterrosen, die über die Steilkante des Riffs in die Tiefe rankten, und das Plätschern war beruhigend, wie ein Wasserfall.
»Bei allen anderen bist du wie ein Hummer«, flüsterte Allie.
»Ich liebe Hummer«, erwiderte Quinn, ebenfalls im Flüsterton.
»Ich weiß. Aber sie haben einen harten Panzer und große Scheren …«
»Damit können sie niemanden verletzen. Nicht ernsthaft«, warf Quinn spöttisch ein.
»Aber das wissen die Leute nicht. Sie sehen nur deinen Panzer, die Scheren, die einem Angst einjagen.«
Quinn sah zu, wie Allie den Gartenschlauch hinter sich her zog, um Spierstauden und Steinkraut zu wässern – stachelige Büsche mit weißen Blüten und niedrige, fedrige grüne Bodendecker, von ihrer Großmutter gepflanzt. Sie war im letzten Winter gestorben, und der
Weitere Kostenlose Bücher