Sternstunde der Liebe (German Edition)
Gedanke versetzte Quinn einen Stich. Allies Worte hallten in ihren Ohren nach.
»Du musst dich nicht hinter deinem Panzer verschanzen«, sagte Allie. »Ich möchte, dass alle dich richtig kennen, so wie ich.«
»Das kann niemand.« Quinn schloss die Augen. »Wir beide haben viel durchgemacht, und das verbindet.«
»Ich weiß … aber mach es den anderen nicht so schwer. Niemand zwingt dich dazu.«
»Das Gefühl habe ich aber«, flüsterte Quinn, die Augen noch immer geschlossen.
Als die Sprechstunde beendet und das Wartezimmer leer war, nahm Rumer sich Zeit für einen letzten Inspektionsgang durch den Zwinger, der als Kranken- und Auffangstation diente. Derzeit hatte sie einen Kater – Oscar, der von einem Fuchs schlimm zugerichtet worden war, einen Golden Retriever, der von einem Auto angefahren worden war, eine herrenlose Katze, die ihre Jungen eifrig behütete, und einen Wurf Welpen in ihrer Obhut, die in einen Kissenbezug gesteckt worden waren und den Versuch überlebt hatten, sie im Ibis River zu ertränken. Sie tätschelte sie und redete mit allen – die Streuner mussten sich an Menschen gewöhnen und die anderen vermissten ihre Menschenfamilien.
»Du bist heute aber lange da.« Mathilda sah vom Waschbecken auf, wo sie die Instrumente säuberte.
»Ich habe einfach noch keine Lust, Feierabend zu machen.«
»Haben alle die nötige Bettschwere?«
»Sieht eher so aus, als würden sie abends putzmunter. Die Katzenmutter lässt den Golden Retriever nicht aus den Augen – wahrscheinlich hat sie Angst, er könnte die Pfoten durch die Gitterstäbe ihres Käfigs zwängen und ihren Jungen etwas zuleide tun.«
»Der arme Kerl kann kaum laufen.«
»Ich weiß, aber erzähl das mal einer Katze, die sich auf ihren Instinkt verlässt«, sagte Rumer und machte sich Notizen.
»Ah so, der Instinkt!«, erwiderte Mathilda viel sagend und sah unter ihren Ponyfransen hoch. Sie war eine füllige Frau; einmal hatte sie Rumer gestanden, dass die Kinder in ihrer Nachbarschaft sie als Heranwachsende gehänselt und »Fettwanst« genannt hatten. An ihrem blauen Kittel war die Anstecknadel befestigt, die Rumer ihr letztes Jahr in Anerkennung ihrer Dienste geschenkt hatte: »Für erstklassige Leistungen und Einfühlungsvermögen im Umgang mit den Tieren von Black Hall und anderswo.« Als Rumer nicht reagierte, räusperte sich Mathilda, bevor sie noch eins draufsetzte.
»Raus mit der Sprache, worauf willst du hinaus?«, kam Rumer ihr zuvor.
»Nur dass dein Instinkt angesichts dessen, was Quinn Grayson dir eröffnet hat, offenbar ein bisschen verrückt spielt. ›Die Leute mit dem Range Rover‹ – das sind sie, oder?«
»Bingo.«
»Und, wie fühlst du dich?«
»Wie …« Rumer lauschte den Geräuschen, die vom anderen Ende des Gangs zu ihnen herüberdrangen.
»Wie in einem Zwinger mit bellenden Hunden? Oder Daniel in der Löwengrube?«
Rumer nickte.
Mathilda war genauso lange ihre Freundin wie ihre Mitarbeiterin: acht Jahre. Rumer hatte ihr während der Scheidung beigestanden: Sie hatte ihr geholfen, den Mut aufzubringen und sich an den Frauennotruf zu wenden, der sich um die Opfer häuslicher Gewalt kümmerte; sie hatte sie zum Rechtsanwalt gefahren, ihr die Hand gehalten, wenn sie weinte, und ihr einen Rosenstrauch geschenkt, den sie an dem Tag in ihrem Garten einpflanzte, als die Scheidung rechtskräftig war. Nun nahm Mathilda auf einem Hocker in der Ecke Platz, klemmte das Kinn in die aufgestützte Hand und lugte unter ihren Ponyfransen hervor.
»Was ist?«, fragte Rumer.
»Dr. Larkin. Rumer, meine Freundin. Ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, dass ich einmal etwas für dich tun kann, und irgendetwas sagt mir, das ist meine Chance, mich zu revanchieren.«
Rumer holte tief Luft und schloss die Augen. Ihre Lungen waren zum Bersten gefüllt und winzige weiße Sterne flimmerten hinter ihren Lidern. »Ich kann nicht glauben, dass die Ankunft der beiden eine derartige Wirkung auf mich hat. Ich meine Zeb und Michael. Mein Schwager und mein Neffe.«
»Schwager? So könnte man es auch nennen«, sagte Mathilda in einem Ton, als stelle sie ebendiese Definition der Beziehung in Frage.
»Du hast Recht. Exschwager.«
»Was du nicht sagst, Rumer.«
»Na gut, mein ehemals bester Freund.«
»Jetzt mach aber mal einen Punkt! Wie wäre es mit der großen Liebe deines Lebens? Bis er den Filmstar aufgabelte und heiratete, der zufällig deine Schwester war!«
»Wenn du es so sehen willst …«
»Kein Wunder, dass
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