Sternstunde der Liebe (German Edition)
Hintergrund.
Diesen Handarbeitsladen, in dem Clarissa an einem ihrer Wandbehänge stickte, hatte Sixtus Larkin eines Junitages betreten. Er war Lehrer und von Halifax hierher gekommen, um in Black Hall zu unterrichten, und hatte ein Stickmuster seiner Mutter unter dem Arm getragen, das noch aus ihrer Jugendzeit stammte.
»Es müsste ausgebessert werden«, hatte er schroff gesagt und es auf der Ladentheke ausgebreitet.
»Das ist wunderschön«, hatte Clarissa in ihrer sanftmütigen Art erwidert und ihre weichen Hände über die von Wasserflecken verunzierte und von Motten zerfressene Stickleinwand gleiten lassen.
»Es war in meinem Schrankkoffer … ich wollte es schon wegwerfen, aber dann sah ich Ihren Laden und dachte, ich erkundige mich mal, ob man da etwas machen kann.«
»Eine gute Entscheidung.« Als Clarissa den Blick von der Stickerei seiner Mutter gehoben und ihm in die Augen gesehen hatte, die leidvoll wirkten und in tiefen Höhlen lagen, war ihrer beider Schicksal besiegelt. Clarissa war zeitlebens der festen Überzeugung gewesen, dass das Einhorn sie zusammengeführt hatte, und obwohl Rumer wusste, dass ihr Vater eher zu den praktisch und systematisch denkenden Menschen gehörte – auch was die Liebe betraf –, musste etwas daran sein, wenn seine Clarissa es zu Sixtus Larkin gesagt hatte.
Der Wind hatte gedreht, wehte nun kräftig aus dem Osten herüber. Rumer stand am Küchenfenster, betrachtete die Straße und das angrenzende Meer in der Hoffnung, das Wetter möge bis zu Danas Hochzeit am morgigen Tag halten. Als sie Zeb und Michael durch den Garten kommen sah, schlug ihr Herz schneller.
Michael war groß geworden – über einen Meter achtzig, ein richtiger junger Mann. Zeb duckte sich, als er sich durch die Ligusterhecke zwängte, und rief Michael etwas über die Schulter zu, der finster auf den Boden starrte. Da er keine Antwort erhielt, riss Zeb ihm das rote, nach hinten gebundene Tuch vom Kopf. Der Austausch erfolgte so schnell und explosiv, dass ihr kaum Zeit blieb, mehr wahrzunehmen als Zebs unruhigen Blick und Michael erschrockene Miene, den Stich, den ihr Zebs Anblick versetzte und die überwältigende Liebe zu ihrem Neffen.
»Da seid ihr ja!« Sie machte die Tür weit auf und blickte an Zeb vorbei auf Michael.
»Hallo«, sagte Zeb. Ihre Blicke trafen sich kurz. Rumer spürte, dass er genau wie letzte Nacht überlegte, ob er sie zur Begrüßung umarmen sollte oder nicht, aber sie eilte an ihm vorüber. Michael, ihr kleiner Neffe, aus dem inzwischen ein junger Mann geworden war, stand auf ihrer Türschwelle, und bei seinem Anblick füllten sich ihre Augen mit Tränen.
»Michael, das ist deine Tante Rumer«, sagte Zeb. »Erinnerst du dich –«
Rumer ließ ihm keine Chance zu antworten. Sie trat näher, stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen dicken Kuss. Wie groß der Kleine geworden war!
»Oh mein Gott, Michael! Ich kann es nicht glauben. Du bist es wirklich.«
»Klar.«
»Du erinnerst dich an mich, oder? Sag ja – ich könnte es nicht ertragen, wenn –« Sie unterbrach sich lachend, wischte sich die Tränen aus den Augen. »Nein, ich will dir die Worte nicht in den Mund legen. Ich möchte wissen, was du wirklich denkst. Erinnerst du dich an früher, als du hier warst?«
»Schon. Ein bisschen.«
»Du hast gesagt, dass dir bei deinem Spaziergang das eine oder andere vertraut vorgekommen ist«, warf Zeb mahnend ein.
Rumer konnte ihren Blick kaum von Michael losreißen, doch nun sah sie Zeb an, der seinem Sohn eintrichtern wollte, was er zu sagen hatte, um seine Tante nicht zu enttäuschen. Rumer konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Leila Mayhew und Clarissa Larkin lächelten vermutlich von irgendwo hoch droben auf sie herab, wenn sie ihren Enkel nach so langer Zeit in diesem Haus sahen.
»Wie wäre es mit einer Erfrischung? Eistee – oder Bier?«
»Bier klingt gut«, feixte Michael.
»In deinem Alter sollte man noch kein Bier trinken«, sagte Sixtus und durchquerte die Küche. Obwohl er gerade erst geduscht hatte, befanden sich immer noch Spritzer von dem bräunlichen Bootslack an seinen Händen. Er blieb ein wenig abseits stehen und betrachtete Michael. »Oder?«
»In welchem Alter trinkt man denn in Connecticut Bier?«, fragte sein Enkel.
»Wenn man älter ist als du, hoffe ich. Sonst käme ich mir wie ein Tattergreis vor, und so weit ist es noch nicht. Komm, gib deinem Großvater die Hand. Hallo, Zeb.«
Die beiden Männer tauschten einen
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