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Sternstunde der Liebe (German Edition)

Sternstunde der Liebe (German Edition)

Titel: Sternstunde der Liebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Muschelschalen, Seesterne, Rückenwirbel. Sein Meteorit. Einer war hier auf der Erde gelandet, am Sackgassen-Ende der Cresthill Road, als übte das Land eine so starke Anziehungskraft aus, dass sie bis ins All reichte. Er hatte ihn mitgenommen, trotz der Angst seiner Mutter, er könne radioaktiv sein, und den kleinen, schroffen Gesteinsbrocken auf einem selbst gezimmerten Regal aus Treibholz zur Schau gestellt.
    Fieberhaft und innerlich aufgewühlt entriegelte Zeb das Fenster und kletterte ins Freie. Er drehte sich halb um, reichte Rumer die Hand und half ihr über die Fensterbank. Sie bahnten sich vorsichtig ihren Weg über die Schindeln, die lange, flache Strecke unterhalb der Giebelfenster entlang, dann stiegen sie die steile Schräge zum Dachfirst hinauf.
    »Rutsch ja nicht aus«, sagte Rumer warnend.
    »Hast du Angst, ich könnte mir wieder den Knöchel brechen?«
    »Ich gebe nur auf dich Acht, Zeb, in meinem eigenen Interesse.« Sie klang atemlos, als sie den First entlangbalancierten. Schritt für Schritt tasteten sie sich vorwärts, bis sie die Mitte zwischen dem windschiefen Schornstein und der Einhorn-Wetterfahne erreicht hatten; dort ließen sie sich nieder.
    Von hier oben war der Himmel klarer zu sehen, als Zeb es jemals erlebt hatte, seit er sich an der Ostküste aufhielt. Das Haus stand auf der höchsten Erhebung des Kaps, und als sie das Dach erklommen hatten, befanden sie sich oberhalb des Dunstschleiers, der über dem Meer lag. Über der kleinen Bucht im Osten schwebte der Mond, groß und golden. Das Firmament war mit Sternen übersät.
    »Früher habe ich zum Himmel hinaufgesehen und mich gefragt, wo du gerade sein könntest«, gestand Rumer.
    »Wirklich?« Zeb betrachtete die Milchstraße, die einer weißen Wolke glich.
    »Dachtest du, ich hätte dich ein für alle Mal abgeschrieben?«
    »Ja, dachte ich, Rumer. Nach allem, was ich dir angetan habe –«
    »Erzähl mir, was es Neues auf unserem Planeten gibt.« Sie wechselte rasch das Thema. »Von deiner zukünftigen Tätigkeit, die dich auf dem Erdboden hält.«
    Er dachte an die Aufnahmen, die er ausgewertet hatte, und an den Bericht für das Forschungslabor von Caltech. »Ich habe mir heute einige Fotos angeschaut. Terra-Satelliten der NASA haben Packeis entdeckt. Im Norden Russlands.«
    »Und sie wollten, dass du dir die Fotos ansiehst?«
    »Ja.«
    »Was ist so ungewöhnlich an Eis? Vor allem im Norden Russlands – da oben gibt es bestimmt immer Eis und Schnee.«
    »Das ist kein gewöhnliches Eis, sondern Packeis«, erwiderte Zeb leise.
    Zweige knackten im Garten unter ihnen; ein Tier streift durchs Gebüsch, dachte Zeb. Als er sah, wie Rumer den Kopf senkte und aufmerksam lauschte, um es zu identifizieren, fiel es ihm schwer weiterzureden, und er fragte sich, warum er ihr das überhaupt erzählte.
    »Auf den Fotos sind an die vierhunderttausend Robbenjunge zu sehen, die vom Packeis eingeschlossen wurden.«
    »Vom Packeis eingeschlossen? Robben?«
    »Ja.«
    »Wie konnte das geschehen? Weiß man Näheres?«
    »Ihr Weg in die Barentssee war versperrt. Ungewöhnlich starke Stürme haben die Eisschollen zum nördlichen Eingang des Weißen Meeres getrieben und eine Art Pfropf erzeugt … die Robben hätten sich schon vor einem Monat auf den Weg machen sollen, aber sie kommen nicht durch.«
    »Das kannst du sehen?«
    »Man kann den scharfen Kontrast zwischen dem klaren Wasser und der riesigen Eisplatte erkennen.«
    »Zeb, was wird mit den Tieren geschehen?«
    »Sie werden verhungern.« Zeb dachte wieder an die Fotos; nicht einmal die beste Tierärztin der Welt wäre in der Lage, sie zu retten.
    Er wusste auch ohne hinzuschauen, dass Rumer den Tränen nahe war. Seine Brust war wie zugeschnürt, als er hörte, wie sie ein Schluchzen unterdrückte. So war sie immer gewesen: Wenn ein Vogel aus dem Nest fiel, würde sie auf den höchsten Baum klettern, um ihn wieder zurückzubringen. Wenn sich ein Schwan in einer Angelschnur verfing, würde sie ihren Kopf bedecken, um sich vor den mächtigen Schwingen zu schützen, und ihn befreien. Nach der Geschichte mit dem Fischadler war ihm klar, dass sie alles daransetzen würde, um die Robben zu retten.
    »Was können wir tun?«
    »Nichts«, sagte Zeb. »Das ist ja das Problem. Wir sehen genau, was los ist, sind aber außerstande, etwas dagegen zu unternehmen. Trotz unserer ausgefeilten Satellitentechnologie, die uns ermöglicht, alles zu erkennen, was es auf der Erde gibt, besteht keine Möglichkeit zu helfen.

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