Sternstunde der Liebe (German Edition)
zündete ihn an.
»Was machst du da?«, fragte er.
»Einen Hummer für dich kochen. Hast du Butter?«
Er holte das Gewünschte aus dem Kühlschrank. »Dafür ist es viel zu früh – es ist nicht einmal zehn Uhr morgens.«
»Hummer ist perfekt zum Frühstück. Enthält massenhaft Protein. Sam geht manchmal zum Speerfischen, unten bei den Wellenbrechern, dort gibt es die verschiedensten Blackfish-Sorten. Wir essen sie zum Frühstück, und er sagt, das sei Nahrung fürs Gehirn …«
Der Topf zischte, als sich die Hitze ausbreitete. Michael lehnte sich gegen den wackligen alten Tisch, und Quinn kam in seine Arme. Er küsste sie.
Sie küssten sich langsam und minutenlang, bis das Wasser zu kochen und der Deckel des Topfes zu klappern begann.
»Ich möchte dir etwas zeigen«, sagte sie und hielt seine Hand, als sie in den Eimer schauten. Die Hummer hatten sich beruhigt, lagen gemeinsam auf dem Boden.
»Was denn?«
»Es hat mit der Nahrungskette zu tun, dem Kreislauf des Lebens. Alles geschieht aus einem bestimmten Grund, Michael, genau so, wie es vorherbestimmt ist … du erinnerst dich an die Fische, deren Köpfe wir als Köder für die Hummerfallen benutzt haben?«
Er nickte.
»Das war Lippfisch. Ein dunkler Fisch, der zu der Familie der Blackfish gehört; sie schwimmen bei den Wellenbrechern ins offene Meer hinaus. Allie und ich haben sie vorgestern Abend gefangen. Mit Sandwürmern. Diese Sandwürmer leben von Nährstoffen im Sand … verstehst du? Ein Glied in der Kette dient dem anderen als Nahrung, und diese Hummer sind für unseren Verzehr bestimmt.«
Michael ließ den Hummer los; er landete im Topf und färbte sich beinahe auf Anhieb rot. Quinn legte ihren hinein. Sie setzte die Butter zum Schmelzen auf den Ofen und legte die Arme um Michael. Er spürte die Wärme und Festigkeit ihres Körpers, zog sie enger an sich, sehnte sich nach noch mehr Nähe.
Sie umarmten sich einige Minuten schweigend, bis sich Michaels Herz beruhigt hatte. Der Summer der Zeitschaltuhr ertönte; die Hummer waren scharlachrot und gar. Quinn nahm eine alte Decke von der Rückenlehne des Weidenholzsofas und breitete sie auf dem Fußboden der Veranda aus. Sie trugen alles nach draußen, auf die Decke, und nahmen zwischen dem Topf, den Tellern und der geschmolzenen Butter Platz.
Michael hatte noch nie gekochten Hummer gegessen.
»Das ist die einzig richtige Art«, sagte Quinn. »Zu Hause, mit Blick aufs Meer. Man verneigt sich vor dem Wasser, um ihm die gebührende Achtung zu erweisen, und dann segnet man die Hummer.«
Michael dachte an die Premierenfeiern in Abendkleidung, die er mit seiner Mutter besucht hatte, wo es Hummer Thermidor, Hummer Savannah, Hummercocktails und Hummer Newburg gab – lauter ausgefallene Gerichte, bei denen der Hummer zwar die Hauptkomponente bildete, aber nach Strich und Faden veredelt wurde.
Das hier war Natur pur, ursprünglich – das Leben selbst. Quinn zeigte ihm, wie man den Hummer mit bloßen Händen aufbricht, die Schalen problemlos knackt, das zarte Fleisch mit den Fingern herausdrückt. Er fühlte sich wie ein Mensch, der etwas mit all seinen fünf Sinnen genießt, empfand zum ersten Mal Freude am Leben: am Sonnenschein, der den Körper wärmte, an den Wellen, deren Tosen in den Ohren hallte, am Gefühl der Liebe, das ihm fremd war und durch seine Adern rann. Er sah Quinn zu, die das Fleisch aus den kleinen Beinen saugte, und ließ sich von ihr mit einer Schere füttern, von der geschmolzene Butter tropfte.
Sie küssten sich mit einer Leidenschaft, die Michael nie zuvor empfunden hatte. Alles erschien ihm absolut vollkommen und natürlich. Als er auf die Felsen hinabblickte, sah Michael das Boot seines Großvaters am Kai auf und ab schaukeln. Er hatte Angst bei dem Gedanken gehabt, dass sein Großvater den Atlantik überqueren wollte, aber sie war mit einem Mal wie weggeblasen. Quinns Gesellschaft hatte ihm neuen Mut eingeflößt, den er nicht ganz verstand.
»Ich habe Pläne …«, sagte er.
»Was zum Beispiel?«
»Etwas Großes leisten.«
»Wie dein Vater? In den Weltraum fliegen?«
»Findest du das bewundernswert?« Sein Herz sank ein wenig.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, im Gegensatz zu den meisten anderen Leuten.«
»Was findest du denn bewundernswert?«
»Oh. Das kann ich dir auf Anhieb beantworten. Liebe.«
»Was weißt du schon von Liebe?« Ihm schlug das Herz bis zum Hals.
»Ich habe sie gelebt«, flüsterte sie. »Ich habe sie seit frühester Kindheit
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