Sternstunde der Liebe (German Edition)
erfahren. Zuerst von meinen Eltern, dann von meiner Schwester, von meiner Tante und Sam und von allen hier auf dem Kap. Liebe ist das Einzige, was zählt …«
»Das würde ich mir auch wünschen«, sagte Michael und sehnte sich nach Liebe, mehr, als er in seinen kühnsten Träumen für möglich gehalten hätte. Er malte sich aus, in diesem Cottage zu wohnen, bis zum Ende seiner Tage Hummer zu fangen. Mit Quinn als Ehefrau; sie könnten ihr Leben gemeinsam gestalten.
»Warum bist du eigentlich von der Schule abgegangen?«, fragte er nach einer Minute.
»Sie haben mich rausgeschmissen«, sagte sie betrübt. »Ich habe etwas getan, was ich besser gelassen hätte … ich bin wütend geworden.«
»Ich habe miterlebt, wie das ist, wenn du wütend wirst«, flüsterte er und strich ihr über das Haar.
»Ja … ziemlich schlimm. Aber ich wünschte –« Sie hielt inne und schluckte. »Ich wünschte, es wäre nicht passiert. Ich würde gerne dort weitermachen, wo ich aufgehört habe … und im September die letzte Klasse besuchen.«
»Was wäre dazu nötig?«
»Der Sommerkurs.« Die Worte klangen grauenvoll in ihren Ohren.
»Und warum gehst du dann nicht hin?«
»Weil ich den Sommer so sehr liebe. Den Hummerfang, mit dem ich Geld verdiene, den Strand, Speerfischen, alles. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, im Klassenzimmer eingesperrt zu sein – selbst wenn dein Großvater es möchte.«
»Ich komme mit«, flüsterte Michael und hielt ihre Hand ein wenig fester.
»Was?«
Er konnte nicht glauben, dass die Worte über seine Lippen gekommen waren, aber plötzlich gab es nichts, was mehr Sinn machte. Er wusste, dass Quinn das Bedürfnis nach einer Zukunft in ihm geweckt hatte. Sie hatte ihn entflammt, hatte ihn angespornt, das Beste aus sich zu machen. Und die Aussicht, seine Tante aufs Neue kennen zu lernen, zu spüren, wie viel eine gute Schulbildung ihr und seinem Großvater bedeutete, verlieh Michael das Gefühl, sich unter Umständen zu wenig zugetraut zu haben.
»Ich gehe mit dir in den Sommerkurs«, flüsterte er. »Wann fängt er an?«
»Ich glaube, er hat schon begonnen.«
»Vielleicht kann mein Großvater das deichseln. Mit den Lehrern reden, die er kennt, damit sie uns helfen, den Stoff nachzuholen, den wir schon versäumt haben.«
»Wir gehen gemeinsam hin?«
»Warum nicht?«
»Ich war noch nie im Sommerkurs«, flüsterte Quinn. »Und ich hatte noch nie einen Freund.«
»Zwei neue Dinge.« Er grinste.
»Ich ändere mich nicht so leicht«, sagte sie warnend.
»Das weiß ich.« Er zog sie neben sich auf die kratzende alte Decke, der Holzboden fühlte sich hart unter ihnen an. Er küsste sie zärtlich, wusste, dass jede Sekunde kostbar war, zerbrechlich, und dass ihn das Leben auf eine rasante Fahrt mitnahm, die irgendwann und irgendwo enden konnte. Michael Mayhew hatte Pläne, große Pläne.
16
Z wei Sommertage vergingen, und der Morgen der Abreise dämmerte sonnig und mit einer leichten Brise herauf. Sixtus wachte in aller Herrgottsfrühe auf. Die Gelenke in seinem Körper knirschten, als er auf leisen Sohlen im Haus umherging. Die Arthritis forderte zunehmend ihren Tribut; ein Schaudern ging ihm durch Mark und Bein. Er fürchtete sich davor, ein Pflegefall zu werden, auf Hilfe angewiesen zu sein; er hatte gesehen, wie es vielen seiner Freunde ergangen war. Lieber würde er sterben, bevor er Rumer zur Last fiel. Als er aus dem Fenster sah, fühlte er sich erleichtert, denn nun musste sich Rumer wenigstens keine Sorgen machen, was das Wetter betraf, wenn sie ihren alten Herrn in See stechen sah.
Doch gegen acht war die Luft seltsam kühl, und eine dunkle Linie zeichnete sich am Horizont ab. Während die Clarissa am Kai wartete, versammelten sich alle Bewohner des Kaps auf den Felsen, um Sixtus Lebewohl zu sagen. Die eingeschworene Gemeinschaft war herzlich und gesellig wie immer, aber es lag eine rätselhafte Stimmung in der Luft. Rumer stand neben ihrem Vater, merkwürdig schweigsam. Er hatte ihr gesagt, sie könne Edward mitbringen, wenn ihr danach sei, aber der Gutsherr war spürbar abwesend.
»Mein Lieber, wie hast du das Frischwasser-Problem gelöst?«, fragte Winnie beunruhigt. »Du kannst schließlich kein Meerwasser trinken …«
»Ich habe einen Wasseraufbereiter«, erwiderte Sixtus, der seine Hände verstohlen zu Fäusten ballte und wieder öffnete, um die Steifheit durch die Lockerungsübungen zu vertreiben. »Einen Apparat, der jeden Krümel Salz aus dem Meerwasser
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