Sternstunden des Universums
postulieren daher, dass diese zusätzlichen Dimensionen auf experimentell nicht mehr zugängliche Größen eingerollt oder, wie man sagt, kompaktiviziert sind. Man kann das am Beispiel eines Strohhalms plausibel machen: Betrachtet man ihn aus geringer Entfernung, so erkennt man, dass er sowohl eine Länge hat als auch röhrenförmig ist, also eine Ausdehnung in Höhe und Tiefe. Aus größerer Entfernung erscheint der Strohhalm jedoch nur noch lang, die röhrenförmige Struktur ist nicht mehr zu erkennen.
Bisherige Resultate lassen allerdings vermuten, dass die Stringtheorie nicht eindeutig ist. Wie es scheint, liefert sie eine noch nicht absehbare, vielleicht sogar eine unendliche Mannigfaltigkeit an Lösungen. Das würde bedeuten, dass es eine Vielzahl von Lösungen gibt, von denen jede für sich mehr oder weniger in der Lage ist, unseren Kosmos zu beschreiben. Doch welche Lösung trifft exakt alle Details der kosmologischen Historie und kann darüber hinaus Aussagen zur Zukunft des Universums machen? Eine Theorie, in der aufgrund ihrer Lösungsmannigfaltigkeit alles möglich wird, ist wertlos. Ferner ist noch umstritten, ob die Stringtheorie jemals falsifizierbar sein wird, das heißt, dass ihre Vorhersagen auch experimentell überprüfbar sind. Ist das nicht der Fall, so steht die Theorie auf tönernen Füßen. Man hofft jedoch, dass die Kollisionsexperimente am Large Hadron Collider (LHC) in Genf, diesem gigantischen Protonenbeschleuniger, einen deutlichen Hinweis auf die Existenz von Strings liefern. Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass die am 14. Mai 2009 zur detaillierten Untersuchung der kosmischen Hintergrundstrahlung gestartete Sonde »Planck« neue Ergebnisse liefert, die die Stringtheorie stützen.
Wie auch immer: Die Stringtheorie vermeidet eine Singularität als Startpunkt unseres Universums und könnte uns daher einen »Einblick« in die Struktur des Urknalls gewähren. Doch bis wir darüber Gewissheit erhalten, werden sich vermutlich noch viele theoretische Physiker und Mathematiker die Köpfe heiß rechnen.
Seit Kurzem gibt es noch einen anderen Ansatz, das Singularitätsproblem loszuwerden. Die Idee zu einer quantentheoretischen Beschreibung der Allgemeinen Relativitätstheorie geht zurück auf Abhay Ashtekar, der bereits 1986 erste Vorarbeiten dazu leistete. Im Lauf der folgenden Jahre wurden dann die theoretischen Grundlagen von einer Reihe Mathematiker und Physiker erarbeitet und schließlich zur Theorie der sogenannten Schleifen-Quantengravitation erweitert. Ausgangspunkt dieser Theorie ist eine ziemlich hypothetische Annahme. Bislang war es allgemeiner Konsens, dass zwar die Materie diskret ist, soll heißen, sie besteht aus individuellen Teilchen, die Raumzeit aber eine kontinuierliche »Struktur« aufweist. Die Vertreter der Schleifen-Quantengravitation brechen nun radikal mit dieser Vorstellung. Sie postulieren: Auch die Raumzeit ist diskret, also gequantelt. Das heißt, sie besitzt eine körnige Struktur und besteht wie ein Mosaik aus einzelnen »Raumzeitatomen«. Demnach müssen sich auch der Raum und die Zeit in kleinsten Schritten oder Portionen ändern. Diese »Elementarteilchen des Raums« sollen ein schleifenförmiges Aussehen haben und miteinander ein enges Geflecht bilden. Fügt man diesem Geflecht eine weitere Schleife hinzu, so vergrößert sich der Raum, werden Schleifen entfernt, so schwindet der Raum. Theoretisch kann man aus dem Raum alle Schleifen entfernen, womit auch der Raum verschwindet.
Mit diesem Ansatz scheint ein wesentlicher Schritt zur Vereinigung von Quantentheorie und Allgemeiner Relativitätstheorie zu einer Theorie der Quantengravitation gelungen zu sein. Obwohl auch diese Theorie noch enorme mathematische Probleme aufwirft und noch weit davon entfernt ist, in allen Details verstanden zu sein, liefert sie bereits erstaunliche Ergebnisse. Rechnet man in der Zeit immer weiter zurück bis kurz vor den Anfang des Kosmos, so schrumpft auch bei der Schleifen-Quantengravitation der Raum auf ein sehr kleines Volumen, aber er zieht sich nicht auf einen unendlich kleinen Punkt zusammen. Eine Singularität wie in der Allgemeinen Relativitätstheorie wird vermieden. Vielmehr beginnt der Raum sich wieder auszudehnen, wenn man noch weiter in der Zeit zurückrechnet. Denn wenn der Raum eine Größe erreicht hat, bei der Quanteneffekte zu dominieren beginnen, ändert, so die Theorie, die Gravitation plötzlich ihren Charakter. Aus der bislang anziehenden Kraft wird eine
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