Sternstunden des Universums
gequantelte Raumzeit, nicht beobachtbar sein, da selbst harte Gammastrahlung vermutlich zu langwellig ist.
Die Situation ändert sich jedoch, wenn man sich die Raumzeit als einen riesigen Kristall vorstellt, aufgebaut aus lauter einzelnen »Raumzeitatomen«. Wie die Wellenlängen des sichtbaren Lichts beim Durchgang durch ein Prisma unterschiedlich schnell vorankommen, was sich in einer Aufspaltung in die einzelnen Spektralfarben bemerkbar macht, so sollte sich auch Licht entfernter Objekte je nach Wellenlänge unterschiedlich schnell ausbreiten. Je länger der Weg ist, den das Licht zurücklegen muss, umso ausgeprägter sollte der Effekt sein. Für eine Beobachtung bräuchte man also eine sehr weit entfernte Lichtquelle. Außerdem dürfte die Quelle nicht kontinuierlich leuchten, sondern müsste gepulst strahlen, denn nur dann ließe sich das zeitlich versetzte Eintreffen unterschiedlicher Wellenlängen beobachten. Gelänge ein derartiges Experiment, so wäre das eine starke Stütze für die Schleifen-Quantengravitation.
Schließlich interessiert noch, wie unser Vorgängeruniversum wohl ausgesehen haben könnte. Der Physiker Martin Bojowald hat sich mit dieser Frage beschäftigt. Rechnungen über den Zeitpunkt des Übergangs hinaus deuten darauf hin, dass sich unser Universum jenseits seines Anfangs umstülpt, also wie ein gewendeter Strumpf seine Innenseite nach außen kehrt. Alles, was sich in unserem Universum rechtsherum dreht, ist vorher linksherum gelaufen. Dabei gehen die im Vorgängeruniversum vorhandenen Informationen im Stadium des Übergangs weitgehend verloren. Eine Kenntnis, wie unser Vorgängeruniversum ausgesehen haben mag, bliebe uns daher größtenteils verwehrt. Schließlich erlauben sich die Theoretiker noch einen skurrilen Gedanken: Es ist ja nicht völlig auszuschließen, sagen sie, dass sich in der Phase, in der das Vorgängeruniversum auf den Übergangszustand zusammenzuschnurren beginnt, auch der Zeitpfeil umkehrt. Das hätte zur Folge, dass sich auch Zukunft und Vergangenheit vertauschen müssten. Über die Zukunft wüsste man genau Bescheid, die Vergangenheit wäre jedoch völlig unbekannt. Für die Zunft der Astrologen wäre das vermutlich eine schreckliche Vorstellung.
Nachschlag:
Gerade war es noch Spekulation – doch seit ein Forscherteam am 28. Oktober 2009 in der Zeitschrift »Nature« darüber berichtete, ist es Realität: Am 10. Mai 2009 zeichneten die Detektoren des Gammastrahlen-Weltraumteleskops Fermi einen 2,1 Sekunden langen Gammastrahlenausbruch auf, der uns von einer 7,3 Milliarden Lichtjahre entfernten Quelle erreichte. Derartige, auch als »Gamma-Ray Bursts« bezeichnete stark gebündelte Gammastrahlung entsteht, wenn entweder ein massereicher Stern in einer Hypernova kollabiert oder zwei sich umkreisende Neutronensterne miteinander verschmelzen.
Da von kollabierenden Sternen ausgehende Gamma-Ray Bursts in der Regel deutlich länger als zwei Sekunden andauern, deuten die 2,1 Sekunden eher auf eine Neutronensternverschmelzung hin. Doch das ist nicht der Punkt. Bedeutsam ist vielmehr, dass sich unter den vom Fermi-Teleskop registrierten Photonen ein Photon fand, das gegenüber einem anderen eine millionenfach höhere Energie hatte. Das ist gleichbedeutend mit Röntgenlicht sehr unterschiedlicher Wellenlänge. Und jetzt wird es interessant! Wie bereits erklärt, sollte das Photon mit der niedrigeren Energie deutlich vor dem hochenergetischen Photon den Fermi-Detektor erreichen, wenn, ja wenn auch die Raumzeit nicht kontinuierlich, sondern von »körniger« Struktur ist. Doch die beiden Photonen legten die gesamte Strecke von 7,3 Milliarden Lichtjahre mit einem Zeitunterschied von nur 0,9 Sekunden zurück. Das bedeutet: Die Geschwindigkeit der beiden Photonen war bis auf einen Faktor von 1 geteilt durch 100 Millionen Milliarden gleich groß!
Ist das nun das »Aus« für die Theorie einer gequantelten Raumzeit und der Schleifen-Quantengravitation? Sind die Messergebnisse absolut gesichert? Für eine abschließende Bewertung ist es gewiss noch zu früh. Aber erste Zweifel sind in der Welt. Man darf gespannt sein, was noch kommt.
Kapitel 13
Wieso ist etwas und nicht nichts?
Ein Sprichwort besagt: Es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten. Doch wie steht es mit der Frage: »Wie kommt es, dass überhaupt etwas ist und nicht nichts?« Auf den ersten Blick erscheint diese Frage tatsächlich etwas naiv, aber für die Kosmologie ist sie eine der grundlegendsten Fragen
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