Sternstunden des Universums
alles auseinandertreibende, eine repulsive Kraft, die ein weiteres Schrumpfen des Raums verhindert und stattdessen in eine Expansion mündet!
Folgt man den Ergebnissen der Schleifen-Quantengravitation, so steht am Beginn unseres Universums nicht länger ein verschwindender Punkt unendlicher Dichte und Temperatur, ein Urknall, sondern ein endliches Raumzeitvolumen. Und da in diesem winzigen Raumzeitvolumen nach wie vor Quantenprozesse ablaufen, ist auch die Zeit nicht an einem absoluten Anfang angelangt. Denn wo sich etwas tut, kann die Zeit nicht stillstehen, sie misst sich ja gerade an der Abfolge von Veränderungen. Folglich gestattet die Schleifen-Quantengravitation nicht nur eine mathematische Annäherung unmittelbar an den Beginn unseres Universums, sondern zeitlich sogar einen Blick weiter zurück in die Vergangenheit, über den Anfang hinaus. Dabei zeigt sich, dass das Universum sich wieder zu einem Universum vor unserem Universum aufzublähen beginnt. Das heißt aber nichts anderes, als dass unser Universum ein Vorgängeruniversum gehabt haben müsste, das gegen Ende seiner Existenz auf ein minimales Raumzeitvolumen kollabiert, das seinerseits den Anfang unseres Universums markiert. Die Theorie der Schleifen-Quantengravitation zeichnet somit ein Bild, in dem sich in einer periodischen Abfolge von Expansion und Kollaps ein Universum an das nächste reiht. Damit, so scheint es, hatte unser Universum keinen absoluten Anfang. Der »Urknall« ist praktisch nur ein Übergangszustand von einem Vorgängeruniversum zu unserem (Abb. 59).
Abb. 59: Die Theorie der Schleifen-Quantengravitation vermeidet die Entstehung einer Urknallsingularität. Geht man in der Zeit immer weiter zurück, so zieht sich das Universum auf ein minimales Raumzeitvolumen zusammen, in dem aufgrund der hohen Materiedichte die Gravitation plötzlich abstoßend wirkt und das Universum in einem »Big Bounce« wieder auseinandertreibt.
Inwieweit diese Aussage der periodischen Wiederkehr Bestand hat, muss sich noch erweisen, steht sie doch gegenwärtig im Widerspruch zu den neuesten Erkenntnissen der Kosmologie. Bis vor etwa sechs Milliarden Jahren hat sich das Universum gebremst ausgedehnt, und man konnte vermuten, dass die Expansion einmal ganz zum Stillstand kommt und sich der Kosmos wieder zusammenzieht. Wie Untersuchungen an weit entfernten Supernovaexplosionen gezeigt haben, expandiert das Universum heute jedoch beschleunigt. Treibende Kraft ist die sogenannte Dunkle Energie. Um was es sich bei dieser Energieform handelt, weiß bisher noch niemand. Kosmologen vermuten, dass die Wurzeln der Dunklen Energie in der Energie des Vakuums zu suchen sind. Das klingt zunächst paradox, ist doch das Vakuum nach allgemeinem Verständnis das absolute Nichts. Doch dem ist nicht so. Das Vakuum strotzt nur so von Energie. Fortwährend entstehen dort Teilchen, die sich die für ihre Entstehung nötige Energie kurzfristig aus der Vakuumenergie »leihen«. Zerfallen die Teilchen wieder, so geben sie die Energie an das Vakuum zurück. Da die Teilchen nur für extrem kurze Zeit Bestand haben, sprich man auch von virtuellen Teilchen.
Was auch immer für die beschleunigte Expansion des Universums verantwortlich sein mag, mit den Vorhersagen der Schleifen-Quantengravitation, eines wieder zusammenschnurrenden Kosmos, passt das nicht zusammen. Wie schon erwähnt, deuten Beobachtungen darauf hin, dass sich die Expansion des Universums weiter beschleunigen wird. Ein Ende oder gar eine Umkehr stehen im Widerspruch zu den gegenwärtigen Theorien der Kosmologen. Doch wer weiß, vielleicht löst die Weiterentwicklung der Theorie der Schleifen-Quantengravitation auch dieses Dilemma.
Bleibt noch die Frage, ob die vorausgesetzte schaumige Struktur der Raumzeit experimentell nachzuweisen ist. Theoretisch sollte das Licht an den »Raumzeitatomen« gestreut werden. Doch diese Streueffekte dürften sich nur bei sehr kurzen Wellenlängen bemerkbar machen, bei Wellenlängen, die mit der Ausdehnung der »Raumzeitatome« vergleichbar sind. Ähnliche Verhältnisse hat man ja auch bei der Beobachtung von Objekten, die in ausgedehnten Staubwolken eingebettet sind. Während infrarotes, langwelliges Licht die Wolken meist mühelos durchdringen und die Objekte mit entsprechenden Detektoren sichtbar machen kann, wird das kurzwellige sichtbare Licht an den Staubpartikeln gestreut, so dass die Wolken undurchsichtig erscheinen. Ähnlich dürften Streueffekte, hervorgerufen durch eine
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