Sternstunden des Universums
punktförmigen Bereich, in dem die Materie unendlich dicht gepackt und unendlich heiß ist.
Zur Beschreibung der Vorgänge und Prozesse in der Welt des Mikrokosmos, jenseits atomarer Größenordnungen, eignet sich insbesondere die 1900 von dem deutschen Physiker Max Planck begründete Quantentheorie. Obwohl diese von den Physikern Heisenberg, Schrödinger, Born, Pauli und Dirac, um nur einige zu nennen, weiterentwickelte Theorie auf den ersten Blick wenig anschaulich ist, hat sie doch außerordentlich zum Verständnis der atomaren Welt beigetragen und sich im Gebäude der theoretischen Physik bestens bewährt. Im Unterschied zur klassischen Physik postuliert die Quantentheorie, dass die Materie nicht in jedem beliebigen Energiezustand verharren, sondern lediglich diskrete Werte der Energie einnehmen kann. Die Energie, beispielsweise eines Atoms, kann folglich nur in genau festgelegten Schritten zu- beziehungsweise abnehmen. Die Physiker sprechen von einer gequantelten Änderung der Energie. Zwischenschritte kommen nicht vor. Ferner beschreibt die Quantentheorie den Aufenthaltsort von Teilchen entgegen der klassischen Auffassung nicht durch eine exakte Angabe von Ortskoordinaten, sondern mithilfe von sogenannten Wellenfunktionen. Im Geltungsbereich der Wellenfunktion, der theoretisch unendlich ausgedehnt sein kann, ist das Teilchen prinzipiell überall zu finden. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, es an einem bestimmten Ort anzutreffen, abhängig von der dortigen »Stärke«, physikalisch: von der Amplitude der Wellenfunktion, und somit von Ort zu Ort unterschiedlich groß. Erst der Messvorgang zur Lokalisierung des Teilchens lässt die Wellenfunktion »zusammenbrechen«, und das Teilchen »erscheint« am Ort der größten Aufenthaltswahrscheinlichkeit.
Für die naheliegende Idee, die Zustände im und unmittelbar nach dem Urknall mithilfe der Quantentheorie zu beschreiben und die anschließende Entwicklung des expandierenden Kosmos anhand der Allgemeinen Relativitätstheorie zu erklären, müsste man die Quantentheorie mit der Allgemeinen Relativitätstheorie zu einer Theorie der Quantengravitation vereinigen. Leider ist das trotz enormer Anstrengungen herausragender Physiker und Mathematiker bis jetzt noch nicht gelungen. Unglücklicherweise sind nämlich die mathematischen Algorithmen der beiden Theorien total verschieden, so dass eine Versöhnung der Theorien zu einer Theorie der Quantengravitation noch auf unüberwindliche mathematische Schwierigkeiten stößt.
Dennoch gibt es einige Ansätze zur Lösung des kosmologischen Singularitätsproblems. Einer davon ist die »Stringtheorie«. Im Vergleich zur Quantentheorie ist sie noch um einiges komplexer. Die mathematische Durchdringung stößt auf so große Schwierigkeiten, dass ihre Ergebnisse in vieler Hinsicht noch unverstanden sind. So kennt die Stringtheorie keine Elementarteilchen im herkömmlichen Sinn. Vielmehr übernehmen sogenannte Strings – daher der Name – deren Rolle. Strings sind eindimensionale Fäden, entweder offen oder an den Enden zusammenhängend, die zu Schwingungen in der Lage sind. Diese Strings haben eine Länge von etwa der Plancklänge, also von rund 10 -33 Zentimetern. Und je nachdem, in welchem Schwingungszustand – Grundschwingung oder eine mögliche Oberschwingung, auch »Moden« genannt – sich ein einzelner String befindet, repräsentiert er ein uns bekanntes Elementarteilchen: ein Quark, ein Photon, ein Elektron oder auch ein Neutrino (Abb. 58).
Abb. 58: Die Stringtheorie kennt keine Elementarteilchen. Dort übernehmen eindimensionale, wie Saiten schwingende »Strings« deren Rolle. Unterschiedliche Schwingungszustände führen zur Entstehung unterschiedlicher Teilchen und Ladungen. Man kann das mit den Saiten einer Geige vergleichen. Je nachdem, ob die Saite im Grund- oder einem Oberton schwingt, ist deren Schwingungsenergie unterschiedlich hoch. Demnach repräsentieren Strings im Schwingungsgrundzustand massearme Teilchen, hochfrequent schwingende Strings hoher Schwingungsenergie massereiche Teilchen.
Was die Stringtheorie so problembehaftet macht, ist die Tatsache, dass sie neben der Zeitdimension einen höherdimensionalen Raum von insgesamt neun Raumdimensionen verlangt. Zu den uns vertrauten drei Raumdimensionen – Länge, Breite und Höhe – müssen demnach noch sechs weitere hinzukommen, damit die Stringtheorie funktioniert. Doch die machen sich in unserer Alltagswelt nicht bemerkbar! Die Stringtheoretiker
Weitere Kostenlose Bücher